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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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um die Beklemmungen in seiner Brust zu vertreiben. Als die Benommenheit schwand und sein Puls wieder langsamer schlug, richtete er sich auf. Obwohl die körperlichen Anstrengungen unwesentlich gewesen waren, tat ihm jedes einzelne Glied weh, und der Schweiß lief ihm am Rücken herunter. Ruß, Staub und sogar Blut fleckte seine helle Kleidung.
    Die Meister warteten mit unbeteiligten Gesichtern. Nun stand die Sonne in Gairs Rücken und machte seinen Schatten so kurz, dass er sich dicht um seine Füße drängte. Es musste schon nach Mittag sein. Über vier Stunden waren vergangen, und es waren noch immer zwei Meister übrig, die ihn auf die Probe stellen würden. Er wischte sich mit dem Ärmel durch das Gesicht. Ihm gegenüber lächelte der Mann mit der rosigen Haut schwach und legte die Finger unter dem Kinn wie zu einem Dach zusammen. Seine Augen leuchteten vor Belustigung, und er hob eine Braue, als wollte er Gair einladen, an seiner Heiterkeit teilzuhaben.
    Gair beachtete ihn nicht weiter, denn nun erhob sich die Frau, die Godril Aysha genannt hatte. Sie stützte sich auf zwei Stöcke, als ob ihre Beine zu schwach wären, um sie lange zu tragen. Sie bemerkte, dass Gair sie ansah, und erwiderte seinen Blick mit großer Intensität. Sie verweigerte sich seinem Mitleid. Ihre wunderschönen Augen waren hart wie Saphire. Sie breitete die Arme aus, warf die Stöcke beiseite und wandte das Gesicht der Sonne zu. Ihre Umrisse schimmerten wie in flirrender Hitze; sie schrumpften zusammen, und plötzlich hockte an ihrer Stelle ein Turmfalke auf der Bank.
    Schaffst du das, Leahner? , wollte ihre Stimme in seinem Kopf wissen. Mit einem Kreischen erhob sich der Falke in den Himmel.
    Darauf konnte Gair keine Antwort geben – er wusste nicht, wie er ihr seine Gedanken übermitteln sollte. Aber er konnte es ihr zeigen. Er suchte in der stetigen Musik des Sangs nach einem leahnischen Feueradler. In der Eisenzelle war er wie ein Greifvogel im Käfig gewesen, blind gemacht durch eine Kapuze, von Fesseln niedergehalten, träumend vom Himmel. Nun konnte er wieder fliegen, und seine zusammengequetschten Flügel erinnerten sich daran.
    Vier oder fünf Schwingenschläge erhoben ihn vom Boden, und dann kreiste er nach oben, wo der Falke über dem Hof schwebte. Der Feueradler war ein großes Tier, sechs- bis achtmal mächtiger als der Falke, und er besaß nicht die Wendigkeit des kleineren Vogels, aber von den Dächern des Kapitelhauses erhob sich ein schwacher warmer Aufwind, den er mit seinen breiten Flügeln nutzen konnte.
    Bei allen Heiligen, wie gut es tat, wieder die Schwingen auszubreiten. Seit dem Ende des letzten Winters war er nicht mehr in die Lüfte gestiegen, und er hatte nicht erkannt, wie sehr er es vermisst hatte, bis er nun spürte, wie ihn der Wind emportrug und das Gewicht der Erde unter ihm zurückblieb. Es war so belebend wie der Sprung in einen kühlen Teich an einem heißen Sommertag. Alle Erschöpfung wurde aus seinen Gliedern gespült.
    In Falkengestalt schoss Aysha um ihn herum und betrachtete ihn eingehend, von den Krallen bis zum Rotgold der Federn. Das sieht ordentlich aus. Wir wollen einmal sehen, wie gut du damit umgehen kannst .
    Im Nu hatte sie sich in einen weiblichen Feueradler verwandelt und flog auf die Berge im Landesinneren zu.
    Gair schaute hinunter auf die Meister, die mit offenem Mund zu ihm hochstarrten, und schoss dann hinter ihr her.
    Aysha führte ihn in wildem Flug über die Weinberge von Penglas. Am Boden mochte sie gehbehindert sein, aber in der Luft war sie so anmutig wie eine Tänzerin. Sie kreiste und wandte sich in der Luft hin und her und kreischte dabei vor Freude. Gair folgte ihr und ahmte all ihre Bewegungen nach. Auch nach zehn Jahren passte diese Gestalt noch so gut zu ihm wie seine eigene Haut.
    Mir gefällt diese Form, Leahner , verkündete Aysha. Ein Adler ist vielleicht nicht so gewandt wie ein Falke, aber er ist schnell und stark. Auf diesen Schwingen könnte ich einmal um die ganze Welt fliegen . Sie hielt den Kopf schräg. Du musst lernen, so zu sprechen, damit wir uns während des Fluges unterhalten können. Sobald du weißt, wie es geht, wird es dir keine Schwierigkeiten machen .
    Tief unter ihnen ging ein Bauer mit Strohhut zwischen seinen Weinstöcken hindurch. Hier und da blieb er stehen, untersuchte die reifenden Früchte oder pflückte ein verdorrtes Blatt ab. Aysha kreiste im Aufwind und beobachtete den sanften Hang unter ihr. Gair segelte noch ein wenig höher. Die

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