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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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ehrlichem Schweiß abgewaschen haben.
    Er machte sich bereit, wischte sich die Hände am Stoff seiner Kleidung ab und fing mit den Übungen an.
    Es dauerte eine Weile, bis er zu seinem Rhythmus gefunden hatte. Seine Muskeln waren steif, die ersten fünf oder sechs Stellungen waren unbeholfen, und seine Beinarbeit war armselig. Gair tadelte sich selbst; er sollte es besser können. Geschmeidigkeit zuerst , hatte Selenas gelehrt. Sei geschmeidig, dann wird die Schnelligkeit von selbst folgen .
    Er machte etwas langsamer weiter, konzentrierte sich auf jeden Schritt und jeden Atemzug. Kaum bemerkte er, wie der Gesang der Vögel einsetzte; er spürte nicht, wie die Sonne sich über der Mauer im Osten erhob und seinen Schatten hervorlockte. Ihm waren nur die Bewegungen seiner Muskeln bewusst, während er das Schwert durch die Luft schwang. Bald waren die Befrager zwar nicht vergessen, aber in den hintersten Winkel seines Kopfes verbannt, wo sie hingehörten. Zu einem letzten Salut hob Gair sein Schwert. Schweiß rann ihm über Brust und Rücken, und der weiße Stoff klebte ihm an den Beinen. Die Sonne stand schon fast eine ganze Handspanne über der Mauer im Osten und blitzte wie ein Dämonenauge. Bei allen Heiligen, es war schon so heiß! Er hätte eine Wasserkanne mitnehmen sollen. Dem Kalender nach waren Wintersonnenwende und Jahreswechsel noch zwei Monate entfernt. In Leah hätte er jetzt bis zu den Knien im Schnee gestanden, und jeden Tag wäre mehr davon gefallen. Die Nächte wären eisig kalt und nicht so schwül und feucht, dass schon ein einziges Laken unerträglich war. Selbst nach zwei Wochen hatte er sich noch nicht an dieses Wetter gewöhnt.
    Zu seiner Überraschung vermisste er Leah. Dort wäre dies ein guter Tag für einen Ritt zum Kutschwegkopf gewesen, wo die Straße oberhalb der Großen Schlucht verlief und man fast bis Leahaven sehen konnte, wenn der Himmel klar war. Eine oder zwei Meilen weiter südlich lag der gewaltige Kalksteinvorsprung, der als Riesentisch bekannt war. Dort hinauf war er gern geklettert und hatte über das neblige Tal geschaut und sich gefühlt, als stünde er auf dem Dach der Welt. Es gab tausend Dinge, die er hier vermisste, vom süßen Heidehonig bis zur atemlosen Stille des Morgens nach den ersten ergiebigen Schneefällen, und all das rief nach ihm. Wie sehr er auch alle Gefühle nach seiner Abreise zu unterdrücken versucht hatte, brachte Leah doch eine Saite in ihm zum Klingen, die er immer in sich tragen würde.
    Während er mit den Schultern rollte, um das Brennen nach der harten Arbeit zu vertreiben, ging Gair dorthin zurück, wo er seine Scheide abgestellt hatte. Sie war bewegt worden und lehnte nun an einer Kiste mit ölgetränkten Stofffetzen. Ein frisches Handtuch hing über dem Geländer. Jemand war zum Übungshof gekommen, und Gair war so beschäftigt gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte. Er packte sein Langschwert fester und schaute sich um.
    Der Weg, der um den Hof herumführte, war leer, aber die Tür zur Waffenkammer stand offen, und ein breitschultriger Mann saß daneben auf einem Hocker in der Morgensonne. Mit dicken Fingern wand er geschickt einen neuen Lederriemen um den Griff eines hölzernen Übungsschwertes. Zwei ähnliche Waffen standen an der Wand der Waffenkammer; sie waren frisch repariert. Drei weitere lagen auf der gestampften Erde vor den Füßen des Mannes inmitten weiterer Lederriemen und warteten darauf, dass sie an die Reihe kamen.
    »Danke für das Handtuch«, sagte Gair.
    »Dachte, du brauchst vielleicht eins. Normalerweise bringt jeder es selbst mit.« Der Mann war nun fast fertig und drückte mit dem Daumen auf das Ende des Riemens, während er mit der freien Hand ein Klappmesser aus seiner Hosentasche fischte. »Du hast einen guten Gleichgewichtssinn, aber wird dir bei diesen Einzelübungen nicht langweilig?«
    »Manchmal.« Gair griff nach dem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab.
    Der Mann auf dem Hocker tauschte das Messer gegen eine Ahle aus seinem Gürtel und schob das abgeschnittene Ende unter die obersten Windungen des Riemens, damit es sich nicht löste. Dann stand er auf und reckte und streckte sich. »Göttin, werde bloß niemals alt. Der Rücken ist das Erste, was Schwierigkeiten macht«, murmelte er und betrat den Hof. Er hatte kurz geschorenes Haar, das in Farbe und Beschaffenheit an Eisen erinnerte, und das Gesicht eines Preisboxers. Dunkelbraune, beinahe schwarze Augen flankierten eine oft gebrochene Nase, und die

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