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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Sandwichverpackungen von deutschen Rastplätzen lagen im Fußraum vor der Rückbank herum, und der Kindersitz, in dem der Junge gesessen hatte, roch streng nach Urin und Essensresten. Er überlegte, ob er ihn in den Kofferraum schmeißen sollte, plötzlich konnte er die stickige Luft kaum noch ertragen.
    »Hast du Hunger?«, fragte er. »Wir können ruhig was unternehmen, während wir auf seinen Anruf warten.«
    Barbara begann zu strahlen. »Wollen wir nicht ins Tivoli? Ich hab eben einen Blick durch den Zaun geworfen, das sieht so toll aus.«
    Er hatte ums Verrecken keine Lust, die Wartezeit umringt von kreischenden Kindern, Zuckerwatte und Ballonverkäufern zu verbringen, aber unter ihrem erwartungsvollen Blick schmolz er dahin. Sie bezahlten einen Tageslohn für den Eintritt und aßen eine Pizza, die ihn sechs- bis siebenmal so viel kostete wie in Vilnius. Aber Barbara war begeistert, das sah er ihr an. Sie lachte mehr als während der ganzen langen Autofahrt
hierher, und allmählich wurde er wieder ruhiger und begann zu glauben, dass sich doch noch alles regeln würde. Vielleicht war das Ganze ja tatsächlich nur ein Missverständnis. Der Däne steckte in einem Flieger fest und kam weder vor noch zurück, wen wunderte es also, wenn nicht alles nach Plan lief. Er hatte gesagt, er wolle bezahlen. Ansonsten wusste Jučas, wo er wohnte.
    »Du hast Oregano am Kinn«, sagte Barbara. »Nein, lass mich …« Sie tupfte ihm lächelnd mit einer rot-weiß karierten Serviette den Mund und das Kinn ab, und sein Zorn schrumpfte und verflog schließlich ganz.
    Später spazierten sie um einen lächerlich kleinen Teich, auf dem ein überdimensioniertes Segelschiff lag, das nicht einmal hätte wenden können, falls jemand auf die hanebüchene Idee verfallen wäre, damit zu segeln. Barbara steckte zwei dicke dänische Münzen in einen Automaten und bekam als Gegenleistung eine Handvoll Fischfutter. Schon beim Klicken des Automaten wurden die Fische im Teich lebendig, so dass es nur so brodelte von fetten, schuppigen, zuckenden Fischleibern. Bei dem Anblick drehte sich ihm der Magen um, er wusste gar nicht, warum. Und in diesem Augenblick klingelte das Handy.
    »I just got home«, sagte der Mann am anderen Ende. »There is no sign of the goods or the money. Nor of the person I sent to do the trade.«
    Miststück. Schwein.
    »I delivered«, erwiderte er, so ruhig er konnte. »Now you must pay.«
    Am anderen Ende herrschte Stille. Dann sagte der Mann:
    »When you give me what I payed for, you will get the rest of the money.«
    Jučas kämpfte mit zwei Dingen gleichzeitig: seinem englischen Wortschatz und seinem Temperament. Barbaras
Hand auf seinem Arm machte es möglich, den Kampf gegen Letzteres zu gewinnen.
    »You sent the woman. If she don’t do what you say, is not my problem.«
    Wieder war es lange still.
    »She took a company car«, sagte der Däne schließlich. »We have GPS tracking on all of them. If I tell you where she is, will you go and get her? She must have either the money or the goods, or both. Or she must know where they are. Bring her back to me.«
    »Is not what we agreed«, antwortete Jučas verbissen. Er wollte sein Geld haben und so schnell wie möglich weg aus diesem scheißteuren Land, in dem sogar die Fische fett waren.
    »10.000 dollars extra«, sagte der Mann. »To get the money and the goods, and bring her back.«
    Das Gekreische von der Rutschbahn begann ihm auf die Nerven zu gehen. Aber 10.000 Dollar waren trotz allem 10.000 Dollar.
    »Okay«, sagte er. »You tell me where she is.«

     
    Nina legte die Decke um den schmächtigen Jungen, nahm ihn auf den Arm und verließ das Sprechzimmer. Er war so leicht. Das reinste Federgewicht im Vergleich zu Anton, aber Anton ging jetzt ja auch schon in die Schule.
    Sie zog die Tür der Praxis sorgsam ins Schloss, ehe sie die Stufen hinabstieg. Dann bugsierte sie den Jungen behutsam auf die Rückbank ihres Wagens und drückte die Tür leise zu. Es war 18.44 Uhr.
    »Und was mache ich jetzt?«, murmelte sie vor sich hin und stutzte. Es war eine dumme Angewohnheit, mit sich selbst zu sprechen. Das war irgendwie nicht normal, das wusste sie wohl, und als sie aufs Gymnasium gekommen war, hatte sie diese kindische Angewohnheit eigentlich abgelegt, um sozial zu überleben. Aber in Stresssituationen oder wenn sie sich besonders konzentrieren musste, kam die alte Unsitte immer mal wieder durch.
    Sie startete den Wagen und ließ ihn über den Kies der Einfahrt

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