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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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anfühlten. Wenn der Junge aufwachte, würde sie hoffentlich klüger sein, doch bis dahin musste sie Karin irgendwie zu fassen kriegen. Die hatte das Ganze schließlich ins Rollen gebracht. Nina zweifelte nicht daran, dass Karin mehr wusste, als sie ihr hatte erzählen wollen, während sie in der Cafeteria des Einkaufszentrums nervös an ihrer Kaffeetasse herumfingerte.
    Sie ließ das Telefon klingeln, bis irgendwann das Besetztzeichen ertönte. Beunruhigt strich Nina mit der Hand über das matt leuchtende Display, als wollte sie unsichtbaren Staub entfernen.
    Der Junge auf der Pritsche bewegte sich wieder, und die Decke rutschte so weit zur Seite, dass sie seine nackte Schulter sehen konnte.
    Kleider, dachte Nina und spürte Erleichterung, dass sie endlich einen praktischen Entschluss fassen und wieder klar denken konnte. Sie musste Kleider für den Jungen beschaffen, damit sie nicht mehr Aufsehen erregten als unbedingt nötig. Sie blickte auf den Infusionsbeutel. Er war fast leer. Gleich konnten sie aufbrechen.
    Noch einmal versuchte sie, Karin zu erreichen, mit dem gleichen ernüchternden Resultat.
    Warum zum Teufel ging diese Frau nicht ans Telefon?

     
    Jučas war sich bewusst darüber , dass sein Zorn sowohl eine Schwäche als auch eine Stärke war. Wenn er trainierte, half ihm dieser Zorn manchmal, seinem Körper die letzten Reserven abzutrotzen und diese Explosionen auszulösen, die das Blut mit solcher Intensität durch die Adern pumpten, dass es fast besser als Sex war. Das rhythmische Pumpen war dann richtig zu sehen in den Adern, die wie Gummischläuche über den Muskeln lagen, und er spürte es wie ein Klopfen in jeder Zelle seines Körpers. Er liebte dieses Gefühl. In diesen Augenblicken wusste er, dass er stark war, und er musste den unbändigen Drang unterdrücken, von der Bank aufzuspringen und durchs ganze Trainingslokal zu brüllen, dass er unverwundbar war - wie ein amerikanischer Filmheld aus einem der Actionfilme, die er sich so gerne ansah: You don’t fuck with me, man .
    Wenn er Dinge tun musste, die er eigentlich nicht tun wollte, half ihm dieser Zorn. Er war immer da, dicht unter der Oberfläche, eine verborgene Kraft, die er nahezu jederzeit aktivieren konnte. So dass die Männer nur noch Schweine und die Frauen alte Schlampen waren und er tun konnte, was zu tun war. Aber es war nicht ungefährlich, denn wenn der Zorn erst einmal in ihm erwacht war, verlor er häufig die Kontrolle. Es gelang ihm nicht immer, sich wieder zurückzunehmen, und er konnte nicht mehr klar denken. Einmal hatte er so ein »Schwein« so hart rangenommen, dass sich dessen Kopf nie wieder davon erholt hatte. Klimka hatte damals gedroht,
ihn zu feuern, falls so etwas noch mal vorkäme. Endgültig. Ihm war klar, dass sein Zorn ihm eines Tages das Genick brechen könnte, wenn er sich nicht vorsah. Deswegen hatte er die Anabolika und Steroide abgesetzt, weil sie seinen Zorn noch unberechenbarer machten. Etwa zu dieser Zeit hatte er auch Barbara kennengelernt.
    War er mit Barbara zusammen, war die Wut meist so weit weg, dass er sich mitunter einbildete, sie sei ganz verschwunden. Vielleicht ist sie das eines Tages auch, dachte er, wenn er nicht mehr für Klimka arbeiten und mit Barbara in ihrem Haus in Krakau leben würde. Dann konnte er seine Tage mit ganz gewöhnlichen Tätigkeiten verbringen, Rasen mähen und Regale aufbauen, das Essen essen, das Barbara für ihn gekocht hatte, und mit der Frau ins Bett gehen, die er liebte.
    Aber das Geld war nicht da gewesen. Jedes Mal, wenn er an das leere Gepäckfach dachte, schoss die Wut kleine, spitze Pfeile durch seine Blutbahn. Am liebsten würde er die Frau erschlagen.
    Er hatte bewusst ein Fach gewählt, das in einem uneinsehbaren Winkel lag, wo es nicht so viele zufällige Zeugen gab, und den das Personal in dem kleinen Aufsichtsraum nicht einsehen konnte. Dann hatte er sich selbst einen etwas abseitigen Platz gesucht, von dem aus er beobachten konnte, wann der Koffer abgeholt wurde. Aber nach noch nicht einmal zehn Minuten wurde das Aufsichtspersonal nervös. Sie schauten immer wieder zu ihm rüber, mal der eine, mal der andere. Als sie sich schließlich berieten und dann zum Telefonhörer griffen, musste er verdammt noch mal handeln. Er zog das Handy aus der Tasche und tat, als würde er telefonieren. Mit dem Handy an der Schläfe, so dass sein Gesicht teilweise bedeckt war, ging er am Raum der Wachleute vorbei und über die Treppe nach oben in die Bahnhofshalle.
    Es

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