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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hinunterrollen. Nüchtern registrierte sie, dass ihre Hände wieder zitterten. Sie musste die Finger fest ums Lenkrad klammern, um das Vibrieren zu stoppen, das in ihren Armen ansetzte und sich bis in die Handflächen und die Fingerspitzen fortpflanzte.
    Karin hatte noch immer nicht zurückgerufen. Genauso wenig Morten, die Polizei oder der Geheimdienst. Letzteres hätte sie auch gewundert, trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass jemand hinter ihr her war. Es kam ihr verboten vor,
stundenlang mit einem Dreijährigen durch die Gegend zu fahren, der nicht zu ihr gehörte. Irgendjemand musste ihn doch vermissen, nicht nur dieser wütende Typ am Bahnhof.
    Nina schaltete das Radio ein, ganz leise, um die Nachrichten mitzubekommen, wenn es so weit war. Laut Display ihres Handys war es 18.46 Uhr. Sie nahm den Fuß vom Gas und bekam ihre Finger so weit unter Kontrolle, dass sie Karins Nummer heraussuchen konnte.
    Nach sieben unendlich langen Klingeltönen antwortete endlich jemand.
    »Hallo?«
    Karins Stimme klang abweisend und erwartungsvoll zugleich.
    Nina atmete tief ein. Es wäre die einfachste Sache der Welt für Karin, das Gespräch einfach zu beenden, wenn sie sie zu hart anging. Sie musste behutsam vorgehen. Musste sie in der Leitung halten, bis sie die Antwort hatte, die sie haben wollte.
    »Karin.«
    Nina ließ ihre Stimme so sanft und überzeugend wie möglich klingen. Ungefähr so, wie sie mit Anton redete, wenn er seine nächtlichen Alpträume hatte.
    »Karin, Nina hier. Ich sitze mit dem Jungen in meinem Auto. Es geht ihm so weit gut.«
    Zuerst war alles still am anderen Ende. Dann waren ein Schluchzer und ein tiefer Atemzug zu hören. Karin kämpfte, um ihre Stimme in den Griff zu bekommen.
    »Gott sei Dank. Nina, ich danke dir, dass du ihn geholt hast.«
    Danach folgte wieder lange Stille. Nina fluchte inwendig. War das alles, was Karin zu sagen hatte? Danke, dass du ihn geholt hast? Wie wäre es mit einer Erklärung? Irgendetwas, das ihr weiterhelfen konnte. Irgendein Tipp, was sie mit dem Dreijährigen in ihrem Auto machen sollte?

    »Ich brauche Informationen über den Jungen«, begann sie. »Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Soll ich ihn zur Polizei bringen? Weißt du, wo er herkommt?«
    Nina hörte selbst, wie scharf und hitzig ihre Stimme jetzt klang, und einen Augenblick lang war sie sich sicher, dass Karin aufgelegt hatte. Dann hörte sie wieder das gedämpfte Schluchzen, wie von einem verletzten, in die Ecke gedrängten Tier.
    »Ich weiß es nicht, Nina. Ich dachte, du hättest Kontakte … dass dein Netzwerk ihm helfen könnte.«
    Nina seufzte.
    »Ich habe niemand«, antwortete sie und merkte zum ersten Mal bis ins Innerste, wie wahr das war. »Ich muss mit dir reden, damit wir eine Lösung finden. Wo bist du?«
    Karin zögerte. Nina hörte förmlich, wie die Zweifel an ihr nagten.
    »Ich bin in einem Ferienhaus.«
    »Und wo ist das?«
    Nina lauschte angespannt, während Karin mit ihrem Handy herumfingerte.
    »Ich will nichts mehr damit zu tun haben. Es war nicht abgesprochen, dass es ein Kind sein würde.«
    Karins Stimme überschlug sich in einem hysterischen Diskant. Sie gab sich jetzt keine Mühe mehr, ihr gewaltsames Schluchzen zu unterdrücken, das schon lange vor ihrem Anruf gelauert hatte, vermutete Nina.
    »Wo ist es?«, wiederholte sie, wobei sie sich anstrengte, so ruhig und sicher wie möglich zu klingen. »Sag mir, wo du bist, Karin, dann komme ich zu dir. Das wird sich schon alles lösen.«
    Sie hörte Karin heftig atmen, und es verging so viel Zeit, dass Nina ernsthaft erwog, das Gespräch zu beenden.
    »Tisvildeleje.«

    Karins Stimme war so leise, dass Nina zuerst nicht sicher war, sie richtig verstanden zu haben.
    »Im Ferienhaus meiner Cousine, das ist …«
    Karin schien irgendetwas zu suchen. Einen Zettel vielleicht.
    »Skovbakken 12. Ganz am Ende des Weges.«
    Dann war sie weg. Nina drehte sich zu dem schlafenden Jungen um und lächelte zum ersten Mal, seit sie vor beinahe sechs Stunden den Koffer geöffnet hatte.
    »Ich habe das im Griff«, sagte sie und merkte, wie sich ihre Hände etwas beruhigten. »Jetzt finden wir erst einmal heraus, was geschehen ist, und dann werde ich schon dafür sorgen, dass du wieder nach Hause kommst.«

     
    Sigita war so verzweifelt , dass sie ihn bat, zu ihr zu kommen.
    Darius’ Handystimme wurde verlegen.
    »Sigita … du weißt doch ganz genau, dass das nicht geht.«
    »Warum nicht?«
    »Wegen meiner Arbeit.«
    Er arbeitete

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