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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die der Liebesduft blühender Gräser berauscht, würde diesen Überschwall zärtlich ergebener Gedanken nicht verstehen, die weiße Liebkosung, die Regungen einer unbezähmbaren Leidenschaft durchbrechen, und die rote Gier der Liebe, die nach einem Glück verlangt, das ihr verweigert wird in den hundertmal durchfochtenen Kämpfen der verhaltenen, unermüdlichen, ewigen Leidenschaft? Stellen Sie diese Rede in das Licht eines Fensters, damit alle ihre frischen Einzelheiten, ihre zarten Gegensätze, ihre Arabesken klar werden: dann wird die gerührte Herrin einer voll erblühten Blume eine Träne entfallen sehen, sie wird nahe daran sein, zu erliegen, und es wird eines Engels oder der Stimme ihres Kindes bedürfen, um sie am Rande des Abgrunds festzuhalten. Was opfert man Gott? Düfte, Licht und Lieder, die lautersten Gaben der Natur. Und das alles, was man Gott opfert, ward der Liebe dargebracht in diesem lichten Blumengedicht, das seine unaufhörlichen Melodien in ihr Herz summte und verborgene Wollüste liebkoste, uneingestandene Hoffnungen und Wünsche, die auftauchen, und wieder verschwinden wie Marienfäden in einer lauen Sommernacht.
    Diese sachlichen Freuden halfen uns über die Gereiztheit unserer Sinne hinweg, die unvermeidlich war, da wir uns einer in den andern versenkten mit Blicken, die genießen, indem sie den andern bis in sein innerstes Wesen wollüstig durchstrahlen. Sie waren für mich – ich wage nicht zu sagen: für sie – wie Risse in einem unüberwindlichen Wehr, die ein wenig von dem gestauten Wasser durchlassen und so ein Unglück abwenden können, da sie nicht die ganze Kraft sich unvermindert ansammeln lassen. Die Enthaltsamkeit hat ihre tödlichen Erschlaffungen, doch erhalten sie wenige Krümchen, die eins nach dem andern von dem Himmel fallen, der von Dan bis zur Sahara dem Wanderer Manna spendet. Trotzdem habe ich Henriette oft mit schlaff herabhängenden Armen überrascht, in eine stürmische Träumerei verloren, die die Brust in schweren Gedanken hebt, die auf der Stirn gewittert, die in schäumenden Wogen herandrängt, droht und schließlich eine entnervende Mattigkeit zurückläßt. Nie wieder habe ich seitdem für irgendwen einen Strauß gewunden. Als wir uns diese Sprache für unsern einzigen Gebrauch geschaffen hatten, empfanden wir die Freude eines Sklaven, der seinen Herrn hintergeht.

Den ganzen Monat über konnte ich bisweilen schon von weitem ihr Gesicht sehen, das an der Fensterscheibe lehnte, und wenn ich in das Zimmer trat, fand ich sie über ihren Stickrahmen gebeugt. Wenn ich nicht zur wortlos verabredeten Stunde erschien, irrte manchmal ihre weiße Gestalt über die Terrasse, und wenn ich sie dort überraschte, sagte sie: »Ich bin Ihnen entgegengegangen. Muß man nicht ein bißchen nett sein zu seinem Jüngsten?«
    Die grausamen Tricktrackpartien zwischen dem Comte und mir waren unterbrochen worden; seine letzten Käufe erforderten eine Menge von Gängen, von Besichtigungen, Nachprüfungen, Grenzsteinsetzungen und Messungen. Er hatte Befehle zu geben, er war von allerhand Feldarbeiten in Anspruch genommen, die das Auge des Herrn brauchten und die er mit seiner Frau besprach. Oft suchten die Comtesse und ich ihn auf seinen neuen «Besitzungen auf. Die beiden Kinder begleiteten uns dann, machten Jagd auf Insekten, Grasmücken, ließen Drachen steigen und banden auch Sträuße oder, genauer gesagt, Blumenbüschel. Mit der Frau, die man liebt, lustwandeln, ihr den Arm geben, für sie den Weg wählen, diese wechselvollen Freuden würden einem ganzen Leben genügen. Die Unterhaltung ist dann so vertrauensvoll. Allein gingen wir hin, und zurück kamen wir mit dem General, wie wir den Comte scherzhaft nannten, wenn er gut gelaunt war. Diese beiden Arten, den Weg zurückzulegen, brachten Abwechslung in unsere Freude durch Gegensätze, wie sie nur die kennen, deren Liebe voller Wechselfälle ist. Auf dem Heimweg waren dieselben Glückseligkeiten, ein Blick, ein Händedruck mit Aufregungen verknüpft. Das Wort, das auf dem Hinweg so frei war, nahm auf dem Rückweg einen geheimnisvollen Sinn an, wenn einer von uns nach einigem Nachdenken auf verfängliche Fragen die Antwort fand oder ein begonnenes Gespräch mit rätselhaften Worten fortgesetzt wurde. Zu dieser Gesprächsform eignet sich unsere Sprache vorzüglich, und gerade die Frauen verstehen sie überaus erfinderisch zu handhaben. Wer hätte nicht das Glück empfunden, sich so gewissermaßen in einer unbekannten Sphäre zu

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