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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Comte gereizt wurde? Die blauen Adern an ihren Schläfen waren geschwollen; es kamen keine Tränen, aber das Grün ihrer Augen wurde blaß. Dann senkte sie ihren Blick zu Boden, um in meinen Augen ihr Leid nicht vergrößert widergespiegelt und ihre Gefühle erraten zu sehen, ihre Seele von meiner Seele geliebkost zu fühlen, vor allem, um nicht das zornentflammte Mitleid einer jungen Liebe zu entdecken, die, ein treuer Hund, bereit war, den besinnungslos zu zerfleischen, der seine Herrin mißhandelt. In diesen grausamen Augenblicken mußte man des Comte überlegenen Ausdruck sehen. Er glaubte seine Frau überwältigt zu haben und ließ einen Hagel von Sätzen auf sie niederregnen, die alle denselben Gedanken wiederholten und Axthieben glichen, die alle denselben Ton gaben.
    »Er ist also immer noch derselbe?« fragte ich, als der Comte uns verlassen mußte, weil der Vorreiter ihn abrief. »Immer der gleiche«, antwortete Jacques. »Immer gleich gut, mein Sohn«, sagte sie zu Jacques und versuchte so, Monsieur de Mortsauf der Verurteilung durch seine Kinder zu entziehen. »Du siehst die Gegenwart, du kennst nicht die Vergangenheit. Du kannst dir keine Kritik an deinem Vater erlauben, ohne eine Ungerechtigkeit zu begehen; aber selbst wenn du das Unglück haben solltest, deinen Vater im Unrecht zu sehen, so verlangt die Ehre der Familie, daß du solche Geheimnisse in tiefstes Schweigen hüllst.« – »Wie steht es mit den Neuerungen in der Cassine und Rhétorière?« fragte ich, um sie ihren bittern Gedanken zu entreißen. »Über alles Erwarten gut!« sagte sie. »Kaum waren die Gebäude fertig, da fanden wir auch schon zwei ausgezeichnete Pächter, von denen der eine alles in allem viertausendfünfhundert Francs, der andere fünftausend Francs Pacht bezahlt; und diese Pachtverträge sind auf fünfzehn Jahre geschlossen. Wir haben bereits dreitausend junge Bäume auf den beiden neuen Gütern gesetzt. Der Verwandte Manettes ist begeistert über die Verwaltung der Rabelaye, Martineau führt die Baude; das Eigentum unserer vier Pächter besteht aus Wiesen und Feldern, und sie düngen sie nicht, wie so manche gewissenlose Pächter, mit dem für unser Ackerland bestimmten Dung. So sind >unsere< Bemühungen vom schönsten Erfolg gekrönt; ganz abgesehen von der Musterwirtschaft beim Schlosse und den Wäldern und Weinbergen, bringt Clochegourde neunzehntausend Francs ein, und die Obstpflanzungen haben schöne Jahreserträge abgeworfen. Ich kämpfe darum, Martineau, unserm Aufseher, allen nicht verpachteten Grund zu übertragen; sein Sohn kann ihn jetzt in der andern Stellung vertreten. Der Alte bietet dafür dreitausend Francs, wenn Monsieur de Mortsauf ihm eine Meierei in der Commanderie einrichten will. In diesem Falle könnten wir alle um Clochegourde liegenden Ländereien ablösen, die geplante Straße nach dem Wege von Chinon fertigstellen und selbst nur noch für unsere Wälder und Weinberge sorgen. Wenn der König zurückkehrt, kommt auch >unsere< Pension wieder, und wir werden sie, nach einem mehrtägigen Feldzug; gegen die bessere Einsicht >unserer< Frau, annehmen. Jacques' Vermögen wird demnach unantastbar sein. Wenn wir dann endlich soweit sind, werde ich Monsieur de Mortsauf für Madeleine Schätze sammeln lassen; übrigens wird ja der König, wie es Brauch ist, für ihre Mitgift Sorge trägen. Mein Gewissen ist beruhigt. Meine Aufgabe geht ihrer Vollendung entgegen ... Und wie steht's mit Ihnen?« Ich erklärte ihr meine Mission und ließ sie erkennen, wie fruchtbar und weise ihre Ratschläge gewesen seien. Besaß sie denn das Zweite Gesicht, um so die Ereignisse voraussehen zu können?
    »Habe ich es Ihnen nicht geschrieben?« sagte sie. »Für Sie allein kann ich eine Fähigkeit ausnützen, von der ich mit Monsieur de la Berge, meinem Beichtvater, gesprochen habe und die er auf eine göttliche Offenbarung zurückführt. Oft nach langem Sinnen über den beängstigenden Gesundheitszustand meiner Kinder schlossen sich meine Augen für die Dinge dieser Welt, und eine andere tat sich auf: wenn ich dort Jacques und Madeleine sah, von Licht umflossen, dann ging es ihnen eine Zeitlang gut; sooft sie aber in Nebelschleier gehüllt waren, wurden sie bald darauf krank. Sie, mein Freund, sehe ich nicht nur immer leuchtend im Lichte, sondern ich höre auch eine sanfte Stimme, die mir wortlos, nur auf dem Gedankenwege erklärt, was Sie tun sollen. Wie kommt es, daß ich diese wunderbare Gabe nur für meine Kinder und für

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