Die Lilie von Florenz
âIch möchte kämpfen.â
âDas ehrt dich. Aber nun habe ich dich lange genug aufgehalten.â Sie stand auf und geleitete Allegra, die ihr zögernd folgte, zur Tür.
âDas seid nicht Ihrâ, sagte Allegra. Sie nickte zu dem Porträt herüber, das auf der Staffelei lehnte.
âWie meinst du das?â
Sie zögerte. Dann sagte sie vorsichtig: âDer Maler hat die Wangenknochen zu hoch angesetzt. Und die Augen liegen zu weit auseinander. Darum habt Ihr das Gefühl, es ist nicht Euer Bild. Ehrlich gesagt, seinen Lohn hat der Maler nicht verdient für diese Arbeit.â
âWarum denkst du, ich habe das Gefühl, es sei nicht mein Bild?â Der Fächer flog auf und flatterte rasch.
âIhr habt es hier aufgestellt. Nicht irgendwo, wo jeder es sehen kann. Denn es ist eigentlich ein schönes Bild, der Künstler versteht etwas von seinem Handwerk. Aber Euer Gesicht hat er nicht gut getroffen.â
âVerstehst du etwas von der Malerei, mein Kind?â Die Stimme war sanft. Gefährlich.
âIch wünschte, ich verstünde mehr davon. Doch meinem Vater fehlte stets das Geld, um mir einen Zeichenlehrer zu bezahlen.â
âZu schade ⦠Deine Mutter war eine sehr gute Malerin. Mir scheint, in dir schlummert ihr Talent.â Die Principessa tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Unterlippe. âWas machst du den ganzen Tag, Allegra?â
âIch weià nichtâ, murmelte Allegra und senkte den Blick. Es stimmte, sie hatte keine Beschäftigung und keine Aufgabe, die sie in den nächsten Wochen von dem einen Gedanken ablenkte â von ihrer Liebe zu Matteo und ihrer Sehnsucht nach ihm. Während er sich anderswo vergnügte.
âIch werde dich bei Maestro Ferretti ausbilden lassenâ, sagte die Principessa plötzlich. âWenn du das willst.â
âDas wäre ⦠schönâ, flüsterte Allegra.
âDann machen wir es so. Das wird ein SpaÃ! Der Maestro nimmt nur Jungen in die Lehre, du wirst also deine Identität weiter verschleiern müssen.â Wie ein kleines Mädchen klatschte die Principessa erneut begeistert in die Hände. Dann trat sie an ihren Sekretär und warf ein paar Zeilen aufs Papier.
âDas wird genügen.â Sie gab Allegra das Billet und erklärte ihr, wo das Atelier von Signore Ferretti zu finden sei. Dann war Allegra entlassen.
Sie verlieà den Salon mit zitternden Knien. Vor der Tür stand ein Diener, der ihr bedeutete, ihm zu folgen. Sie wurde in den Hof geführt, wo eine Kalesche auf sie wartete. Allegra stieg ein und warf sich in die Polster. Sie drückte das Billet an die Brust. Was für ein Tag!
âSignore Ferretti?â
Allegra betrat den Hinterhof und blickte sich suchend um. Der stechende Geruch von Farben hing in der Luft. An den Wänden lehnten Leinwände, die auf Holzrahmen gespannt waren, und auf einem Tisch häuften sich Töpfe und Tiegel. Pinsel lagen kreuz und quer darüber verstreut. Die Farbe trocknete auf den Pinseln ein.
âHallo?â
Der Innenhof wurde wohl bei gutem, sommerlichem Wetter als Werkstatt benutzt. Durch eine hohe Tür betrat Allegra das Atelier. Der Raum hatte hohe Fenster und wirkte groà wie ein Ballsaal. Hier setzte sich das Chaos aus halbfertigen Bildern, Farbtiegeln, Pinseln, Lumpen und Weinflaschen fort.
Ein Klappern lieà sie herumfahren.
âHallo?â, rief sie erneut.
âKomme schon, komme schon.â
Ein dunkelhaariger hochgewachsener Jüngling erschien im hinteren Teil des Ateliers. Allegra atmete auf. Einen Moment schon hatte sie gedacht, unverrichteter Dinge abziehen zu müssen.
âSeid Ihr ⦠Ihr seid Signore Ferretti?â, fragte sie. Als die Principessa ihr gesagt hatte, sie wolle Allegra zu einem Maestro schicken, damit sie das Malen lernte, hatte sie an einen älteren Herrn gedacht, der sie unterwies.
Die grünen Augen ihres Gegenübers maÃen sie prüfend. Allegra fühlte sich unter seinem Blick nackt und zittrig.
âBin ich nicht. Aber wenn ichâs wäre, würdest du mir dann deine hübschen Rundungen unter dieser albernen Verkleidung zeigen?â
Allegra zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen. Seine Augen blitzten und er lachte sie an. âWas ⦠ich weià nicht, was Ihr meintâ, sagte sie. âIch will nur zu Signore Ferretti, er wird mich ausbilden.â
âWas denn? Er nimmt
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