Die Lilie von Florenz
nur Lehrjungen. Dass du ungeeignet bist, solltest du wissen. Willst du ihn mit dieser Verkleidung etwa täuschen?â Er schnalzte mit der Zunge. âKönnte sogar gelingen, er sieht nichts anderes als seine Arbeit, und Arbeit hat er mehr als genug. Und ein Frauchen, das hier saubermacht, wäre uns beiden recht.â
Allegra verschränkte die Arme vor der Brust. Sie widerstand dem Impuls, auf dem Absatz umzudrehen und zu gehen. Stattdessen streckte sie ihm das Billet hin. âDie Principessa schickt mich mit diesem Empfehlungsschreibenâ, sagte sie, ohne auf seine Worte einzugehen.
Er pfiff durch die Zähne. âDie Principessa? Hast du auch sie getäuscht?â
Allegra schwieg. Er faltete das Blatt auseinander und las es, dann nickte er. âMeinetwegen. Du gefällst mir, und eine Frau kann hier nicht schaden.â
âIch bin keine Frauâ, sagte sie und betonte jedes einzelne Wort.
âNein, du bist Alessandro Bandini. Ich habe verstanden. Ich heiÃe Alberto Buontalenti. Und ja, ich habe tatsächlich ein groÃes Talent.â Er zwinkerte ihr zu. âAber wenn wir allein sind ⦠dann bist du schon ein bisschen eine Frau, oder? Für mich?â
Sein Blick ging ihr durch und durch. Sie schloss die Augen, weil sie das leise Zittern verwirrte, das sich in ihrem Körper ausbreitete. Allein die Art, wie er sie anblickte, wie seine Blicke sie maÃen, machte sie unruhig. Er war nur ein Lehrling, so wie sie es nun wurde. Alberto war ungefähr in ihrem Alter, vielleicht zwei Jahre älter, und in seinem schäbigen Kittel, der über und über mit Farbspritzern verziert war, sah er noch strahlender aus, als wenn er sich in den teuersten Justaucorps mit Goldstickerei geworfen hätte. Er war lebenslustig und fröhlich, und er hatte versprochen, ihr Geheimnis zu wahren. Sie hoffte es zumindest.
Doch etwas musste sie tun, damit nicht jeder Zweite, dem sie begegnete, sogleich erkannte, dass eine Frau in den Männerkleidern steckte.
Vor allem, wenn sie an den Maskenball bei Conte del Pirandelli dachte. Zu dem sie natürlich nicht gehen konnte, das hatte sie sich insgeheim geschworen. Doch die Sehnsucht nach ihm war schier unerträglich â¦
âWas kann ich machen?â, fragte sie eifrig.
âOh, du willst gleich anfangen? Zunächst mal kannst du dich nützlich machen. Der Maestro hat Farben und Papiere bei einem Händler bestellt, die müssen abgeholt werden.â
Alberto beschrieb ihr den Weg, drückte Allegra zwei Goldmünzen in die Hand und schob sie aus dem Atelier.
âUnd wann sehe ich den Maestro?â, fragte sie.
âSpäterâ, antwortete er lapidar.
So machte sie sich auf den Weg. Die Gassen waren eng, die Luft stand in der Sommerhitze. Was hätte sie darum gegeben, wenigstens das Justaucorps abzulegen. Aber nachdem Alberto so schnell ihre Verkleidung durchschaut hatte, traute sie sich nicht. Ohnehin hatte sie das Gefühl, von den anderen Leuten, die in den Gassen unterwegs waren, permanent angestarrt zu werden.
Allegra wischte sich mit der flachen Hand über den schweiÃnassen Nacken. Wenn es wenigstens nicht so heià gewesen wäre, dann hätte sie ihre weiblichen Formen zusätzlich unter einem Mantel verstecken können â¦
Sie fand das Geschäft und trat ein. Ein hutzeliges Männchen, das gebeugt aus dem hinteren Raum des Geschäfts geschlurft kam, fragte sie nach ihrem Begehr.
âIch komme von Signore Ferretti und soll die bestellten Farben und das Papier holenâ, sagte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen möglichst tiefen Klang zu geben.
âAh, natürlich. Warten Sie, Signore, warten Sie â¦â
Er verschwand im Gelass und lieà sie allein. Sie atmete auf. Wenigstens er hatte sie als Mann wahrgenommen.
In dem kleinen, engen Laden gab es einige Regale, die bis zur Decke reichten und von oben bis unten mit Pamphleten, Folianten und Flugschriften vollgestopft waren. Eines der Regale bewegte sich plötzlich. Und es stöhnte.
Sie runzelte die Stirn. Regale konnten nicht stöhnen. Auch nicht seufzen â denn das hörte sie jetzt. Ein leises, wohliges Seufzen. Eine Frauenstimme, die etwas flüsterte.
Allegra schloss die Augen. Dieses Flüstern, das Stöhnen, das Seufzen ⦠in ihr wurden Erinnerungen wach an den Abend ihrer Verlobungsfeier. Als sie Matteo und seine Mätresse beobachtet hatte.
Auf Zehenspitzen schlich
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