Die Lilie von Florenz
flüsterte er.
Die Principessa antwortete nicht. Plötzlich wurde es ganz still um Matteo. Er hörte aus der Ferne das Knistern und Knacken der Holzscheite im Kamin, das Blut rauschte laut in seinen Ohren. Plötzlich passte alles zusammen. Ja, sie war es! Sie hatte ihn vom ersten Moment bezaubert. Schon auf der Verlobungsfeier hatte er dieses Verlangen gespürt. Und ein Teil von ihm hatte wohl schon gewusst, wer sich wirklich unter den Knabenkleidern verbarg, als er sich noch fragte, ob er neuerdings eine Schwäche für Männer entwickelte.
âSie hat sich als Kastrat verkleidet?â Seine Stimme klang rau. âAber warum?â
Die Principessa lachte leise. âWeil sie dich liebt, Matteo. Weil sie dir nahe sein wollte. Und zugleich hatte sie Angst vor deiner Nähe. Denn ihre Liebe ist so stark, dass sie keine Frau neben sich duldet.â
Matteo nickte leise. Jetzt erst verstand er. Jetzt, da er drei Wochen gewartet hatte, dass sein Sturmmädchen wieder zu ihm kam. Drei Wochen, in denen er nur an sie gedacht hatte, in denen er sich schmerzlich nach ihr sehnte. Drei Wochen, in denen es ihm nicht nach anderen Frauen gelüstete.
War das eines seiner zahlreichen neuentfachten Feuer, die nach wenigen Wochen verloschen? Oder war dies anders, einer Glut gleich, die beständig ihre Hitze verbreitete und ihn auch in den einsamen Stunden zu wärmen vermochte?
Aber nun, da er wusste, dass sein Sturmmädchen dieselbe Frau war, mit der er sich verlobt hatte, kannte er kein Halten mehr. Er sprang auf.
âIch muss sofort zu ihr!â, rief er. âJetzt, da ich weiÃ, wer sie ist â¦â
Die Principessa hob eine Hand und brachte ihn zum Verstummen.
âSie ist in ihr Heimatdorf zurückgekehrt.â
âIch fahre zu ihr, gleich heute!â
Sie wiegte nachdenklich den Kopf. âDas würde ich an deiner Stelle nicht tun.â
âWarum? Was sollte mich daran hindern?â
Sie zögerte. Dann sagte sie leise: âIhr Vater ist sterbenskrank. Man sagt, die Sorge um die finanzielle Situation hat ihn zerstört. Allegra wacht seit Wochen an seinem Krankenbett, das schon bald ein Totenbett sein wird, wie man sich erzählt.â
Matteo sank wieder aufs Sofa. âDas ist meine Schuldâ, gestand er. âIch habe das Darlehen von ihm zurückgefordert.â
Die Principessa widersprach ihm nicht.
âIch muss sofort zu ihr ⦠Ich kann nicht warten, ich weiÃ, Ihr ratet mir dringend, nicht zu ihr zu fahren. Aber ⦠ich liebe sie.â
âDas ist das Beste, was dir und ihr passieren kannâ, stellte die Principessa fest. âSei behutsam, Matteo.â
Er verabschiedete sich knapp von ihr und verlieà eilig den kleinen Salon. Ja, er musste sofort abreisen. Er hörte nicht auf die Ratschläge, die ihm die Principessa erteilte. Was wusste sie schon? Er hatte groÃen Schaden angerichtet, und jetzt war er gewillt, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um diesen Schaden wiedergutzumachen.
12. KAPITEL
Es hatte durchaus Vorteile, die Mätresse von Matteo del Pirandelli zu sein. Zum Beispiel konnte sie jederzeit in seinem Palazzo aus und ein gehen, wie es ihr gefiel. Und auch wenn Matteo in den letzten Wochen kein Interesse mehr an ihr hatte, verzichtete Cristina nicht auf die Privilegien, die ihr immer noch zustanden.
Wenn sie es in dem kleinen, zugigen Stadthaus, das ihr Mann beschönigend âmein Schmuckkästchenâ nannte, nicht mehr aushielt, bestellte sie ihre Kalesche und fuhr hinüber zum Palazzo, in dem Matteo residierte. Sie verabscheute es, den ganzen Tag bei ihrem Mann am Kamin zu sitzen und sich mit Stickereien zu beschäftigen oder einen Roman zu lesen. Zumal der alte Conte della Visconti Wert darauf legte, dass sie stets die hochgeschlossenen Kleider in gedeckten Farben trug, die vor dreiÃig Jahren vielleicht modern gewesen waren. Er betonte stets, wie hübsch sie damit aussehe und dass sie seiner ersten Frau ähnlich sei, die ihm bereits drei Söhne geschenkt hatte.
Jeder dieser Söhne hätte besser zu Cristina gepasst als der alte Mann, der den halben Tag schnarchend im Sessel verbrachte.
Matteos Diener kannten sie. Und solange Matteo ihr nicht ausdrücklich sagte, dass sie verschwinden solle, blieb sie. Und traf sich mit ihren neuen Liebhabern in Matteos Palazzo.
Ein bisschen traurig war sie schon, dass Matteo seit jenem Maskenball überhaupt kein Interesse mehr an
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