Die Lilie von Florenz
Zweifel.
âWillst du ihr meinen Besuch nicht melden?â
âDas gehört nicht zu meinen Aufgaben.â Der Lakai rümpfte die Nase, als hätte Alberto ihn beleidigt. Er wartete, bis Alberto nach der Türklinke griff. Dann wandte er sich auf dem Absatz um und eilte davon, als wollte er mit dem, was nun folgte, nichts zu tun haben.
Alberto betrat das Zimmer, zu dem der Lakai ihn geführt hatte. Nur ein groÃes Bett stand in dem Raum. Die Vorhänge aus schwerem rotem Samt waren geschlossen, und er zögerte. Konnte das denn richtig sein?
Langsam näherte er sich dem Bett. War dies Allegras Schlafzimmer? Was ging hier vor sich? Am liebsten wäre er wieder gegangen, aber dann siegte seine Neugier. Vor allem aber seine Sehnsucht nach der hübschen zarten Allegra. Nach ihren taubengrauen Augen, die ihn stets so neugierig angesehen hatten, voller Zutrauen, das sie so schnell zu ihm gefasst hatte. Wenn er sich daran erinnerte, wie sich ihre Hand auf seinen Schwanz gelegt hatte, spürte er ein schmerzliches Ziehen in seiner Lendengegend.
Diese Frau raubte ihm den Verstand.
Er öffnete leise die Vorhänge.
Nicht Allegra lag mitten im Bett, umgeben von dicken Kissen und unter eine Decke gekuschelt, ihren Körper hingegossen, als wäre er nur geschaffen worden, um von ihm verwöhnt zu werden. Es war eine andere Frau, die ihn nicht minder faszinierte.
Die Frau im Bett hatte blondes Haar. Die dunklen Wimpern beschatteten ihre vom Schlaf geröteten Wangen. Soweit er sehen konnte, war sie unter der Decke nackt. Er nahm den Anblick in sich auf.
Sie war wunderschön. Verletzlich. Etwas an ihr rührte ihn. Er schob sich näher, kniete sich auf die Matratze und streckte eine Hand nach ihr aus.
Ihre Lider flatterten, doch sie schlug die Augen nicht auf.
Seine Finger strichen über ihre Schulter, zeichneten die Linie ihres Schlüsselbeins nach. Sie seufzte leise, bewegte sich, aber noch immer hielt sie die Augen geschlossen.
Alberto zögerte. Das hier war nicht, was er erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht Allegra. Der Conte schien seine Gunst einer anderen Frau zu schenken, wenn er den Worten des Dieners Glauben schenkte. Doch warum hatte der Lakai ihn hergeführt? War dies ein erotisches Spiel, das der Conte mit seiner Mätresse spielte?
Handelte es sich etwa um die Contessa della Visconti? Das, was Alberto bisher von ihr gehört hatte, passte. Er zögerte. Wenn er sich jetzt dieser Schönheit näherte, würde sie nicht die Augen aufschlagen und ihn sogleich achtkantig rauswerfen, sobald sie erkannte, dass er nicht der war, den sie erwartete?
Er räusperte sich.
Sie runzelte die Stirn.
Alberto zog sich ans Ende des Bettes zurück. Dann räusperte er sich noch mal, ausgiebig. Erst dann fand er den Mut, zu ihr zu sprechen. Er kniete auf der Bettkante, bereit, jeden Augenblick aufzuspringen und sich zurückzuziehen. Bereit zur Flucht.
âEntschuldigt, Signora ⦠Ich bin nicht der, den Ihr erwartet, vermute ich.â
Sie hielt die Augen geschlossen. Ein leises Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und als sie sprach, war ihre Stimme wie Honig. âDann haben sie also ein neues Spiel für mich erdachtâ, flüsterte sie.
Sie? Wen meinte die blonde Frau damit?
âNeinâ, gestand er nach kurzem Zögern.
âNein?â Sie lachte leise. âVersuch erst gar nicht, mich reinzulegen. Ich weiÃ, was mich erwartet, wenn ich nicht mitspiele.â
Doch die Vorstellung schien sie nicht im Geringsten zu schrecken. Im Gegenteil. Sie räkelte sich unter dem Laken und streckte ihm ihre schmale Hand entgegen.
âWenn du derjenige bist, mit dem ich mich zuerst vergnügen darf, dann ist es mir eine Ehre.â
Alberto wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sie lag nackt in diesem Bett und schien jemanden zu erwarten, aber zugleich glaubte sie, er gehörte zu ihrem lustvollen Spiel dazu. Was sollte er tun? Mitspielen?
Das war eigentlich keine Frage. Er spürte, wie sein Körper auf die blonde Schönheit reagierte. Allegra war für den Moment vergessen; dabei war doch sie der Grund, der ihn in den Palazzo geführt hatte. Daran verschwendete er nun keinen Gedanken mehr.
âDu hältst die Augen geschlossen?â, flüsterte er und beugte sich vor.
Sie nickte stumm und fügte hinzu: âWenn es das ist, was du wünschst.â
Er schaute sich suchend um. Sie sah nicht aus wie eines
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