Die Lilie von Florenz
ihr zeigte. Aber mit Loris und Mario hatte sie ja adäquaten Ersatz gefunden ⦠Und die beiden Männer waren es auch, mit denen Cristina sich heute wieder im Palazzo von Matteo verabredet hatte.
Sie wusste nichts über die beiden Männer, denn ihre Versuche, mehr über sie herauszufinden, wurden stets im Keim erstickt. Wenn sie Fragen stellte, machten Loris und Mario ein Spiel daraus, sie zu fesseln und so lange mit Nichtachtung zu strafen, bis Cristina es aufgab, ihre wahre Herkunft zu ergründen.
Sie zog die Tür zu dem Zimmer zu, das sie heute als Treffpunkt gewählt hatte. Ein groÃer Raum, die Wände waren mit rotgoldenen Seidentapeten bespannt, und in der Mitte des Raums stand ein breites Bett. Kissen waren verschwenderisch auf dem Bett ausgebreitet, und auf einem Tischchen lag bereits eine Nachricht für Cristina.
Sie lächelte, als sie die Nachricht las.
Wir wollen dich nackt sehen â am liebsten schlafend. Wage es nicht, die Augen zu öffnen, wenn wir zu dir kommen .
Es war schade um das duftige blassgrüne Kleid, das sie heute angezogen hatte, aber Cristina gehorchte. Sie entkleidete sich und fröstelte, obwohl im Kamin ein Feuer flackerte. Rasch schlüpfte sie ins Bett und zog die Decke über ihren Körper, auf dem die Gänsehaut aufblühte. Sie kuschelte sich in die Decken, knautschte ein Kissen unter ihrem Kopf zurecht und schloss die Augen.
War es die Wärme, die langsam ihren Körper eroberte und bis in die Zehen jeden Teil ihres Körpers erfasste? Oder war es das hypnotische Geräusch der knisternden Scheite im Kamin? Das Rauschen des Herbstregens, der von drauÃen an die Fensterscheibe pochte? Später wusste Cristina nicht, was es war, das sie in den Schlaf wiegte. Schon bald versank sie in Träumen, in denen fremde Männer ihren Körper berührten. Sie bewegte sich leise im Schlaf. Ihre Hände zuckten. Eine Hand schob sich unter die Bettdecke und erkundete ihren eigenen Körper.
Aber sie wachte nicht auf.
Alberto hatte Nachforschungen angestellt, nachdem die schöne Fremde plötzlich nicht mehr auftauchte. Sein erster Weg führte ihn ins Konservatorium für Kastratensänger. Dort erklärte ihm ein verschwitzter, sichtlich nervöser Maestro, dass sie keinem ihrer Kastraten erlaubten, eine andere Profession auszuüben.
Der Mann log. Alberto hielt sich lieber an die Dienerschaft. Mit ein paar Münzen, die er seinem eigenen Maestro gestohlen hatte â nicht ohne sich selbst zu sagen, dass er sie beizeiten zurückgeben würde â, bestach er einen Diener, der ihm bereitwillig erzählte, der Kastrat Luigi Bandinelli habe einige Zeit mit einer Frau zusammengewohnt. Sie hatte sich zwar als Mann verkleidet, aber lieà nicht genug Vorsicht walten und hatte die Maskerade in den eigenen Gemächern selten konsequent aufrechterhalten.
Vom Diener erfuhr Alberto auch, dass die Frau vor wenigen Wochen plötzlich verschwunden sei.
Nun musste er nur noch das, was er wusste, zusammenzählen â und schon war er sicher, zu wissen, um wen es sich handelte. Die ganze Stadt redete über Allegra Bandinelli, die Braut des Conte del Pirandelli, die nach dem Verlobungsfest ebenso rätselhaft verschwunden war wie das Mädchen, das wenige Wochen bei Allegras Bruder wohnte. Zufall?
Alberto glaubte nicht an Zufälle.
Darum wurde er an diesem Tag beim Conte del Pirandelli vorstellig und bat den Lakaien, der ihn von oben herab betrachtete, eingelassen zu werden.
âMit wem willst du denn schon sprechen?â, schnappte der Mann. Seine schwarze Perücke glänzte, und alles an seiner Haltung strahlte Verachtung für den abgerissenen Malergesellen aus, der es wagte, auf der Schwelle des Palazzo aufzutauchen.
âEs geht um die Frau, der er seine Gunst schenktâ, erwiderte Alberto.
Der Lakai horchte auf. âBist du gekommen, um sie zu sehen?â, fragte er.
Alberto nickte ungeduldig. âDas versuche ich doch schon die ganze Zeit, dir zu erklären!â
âFolge mir.â Der Lakai schritt voran. Alberto schaute sich verstohlen um. So lebte also jetzt die zarte Blüte, die er vor wenigen Wochen erstmals zum Erblühen brachte. Er war sicher, dass sie jetzt bei ihrem zukünftigen Ehemann Zuflucht gefunden hatte, nachdem sie bei ihm die Lust kennengelernt hatte.
Doch als der Lakai vor einer Tür Halt machte und stumm auf die Tür wies, beschlichen ihn erste
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