Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
bis Ridder und ihre Assistentin auf das Gelände vorgefahren werden durften. Es folgten ärztliche Schnelltests, ehe sie zum Hangar gebracht wurden. Erst dann waren sie in den Sea Lynx Hubschrauber, der sonst auf einer Fregatte der Bundesmarine stationiert war, gestiegen und hatten sich dem Können des jungen Piloten anvertraut. Über das Headset hatte er alle Passagiere mit den Worten »Willkommen in Deutschlands größter und längster Achterbahn« aufmuntern wollen. Er kam nicht gut an, denn schon über Cuxhaven reichten die mitgebrachten Spuckbeutel nicht mehr aus. Immer wieder sackte der Helikopter ab und wurde vom böigen Ostwind geschüttelt. Die 40 Kilometer bis zu dem kleinen Eiland im Norden waren ein Höllenritt. Ridder hatte die Augen geschlossen, den unangenehm säuerlichen Geruchsmix aus Kotze und Öl ignoriert und sich auf das anstehende Treffen mit dem engsten Immunologieberater der Kanzlerin, dem äußerst unsympathischen und dickköpfigen Professor Dr. Vogel, vorbereitet.
Die Insel Helgoland misst gerade einmal einen Quadratkilometer. Sie besteht aus einem Ober-, Mittel- und Unterland. Wegen ihrer charakteristischen roten Felshänge ist sie seit Jahrhunderten ein beliebtes Reiseziel. Mehrfach wechselte sie ihre Besitzer. Zuletzt ging sie Ende des 19. Jahrhunderts aus britischer in deutsche Hand über. Während der Saison wird die kleine Felseninsel täglich von einer Heerschar deutscher Rentner »überfallen«, die dort günstige zollfreie Ware in Dutzenden von kleinen Geschäften einkaufen. Wenn sie am späten Nachmittag wieder abgereist sind, fällt die Insel in beschauliche Ruhe, die nur im Frühjahr von Tausenden von Seevögeln, die in den Felsennischen brüten, unterbrochen wird.
Jetzt war alles anders. Und das lag nicht daran, dass gerade Winter war. Allein zwei Fregatten der deutschen Marine kreuzten trotz schwerer See wenige Seemeilen vor der Insel: Der Luftraumwar für jeglichen Flugverkehr gesperrt. Knapp 1400 Menschen leben auf dieser Insel. Sie waren sozusagen in Gewahrsam genommen worden, als sie sich nachhaltig weigerten, die Insel mit mehreren Fähren Richtung Niederlande zu verlassen. So lebte die Kanzlerin mit ihrem Stab in einem in die Jahre gekommenen Designhotel am Hafen. Wenige Meter von dort fuhren die kleinen Fährboote zu einer vor der Insel gelegenen großen Sanddüne, Heimat vieler Seehunde und Robben.
Der Hubschrauber flog schlingernd über der Mole den kleinen Flugplatz am südwestlichen Ende der Insel an. Dort wurden Ridder und ihre Assistentin schon von einem Elektroauto der örtlichen Polizei empfangen. Ihr Fahrer war ein junger, von einer schlimmen Akne geplagter, aber äußerst gesprächiger Friese, hoch erfreut, zwei schöne Frauen entlang der bunten Hummerbuden zu chauffieren.
»Ich bin Hinnerk Osbahr, und das ist meine Insel«, startete er die einseitige Konversation, kaum dass er den Zündschlüssel umdrehte. Auf den wenigen Metern bis zu ihrer Unterkunft hatte er ihnen alles über die neuen Inselherren erzählt: von der Dickköpfigkeit der Insulaner, der Arroganz Berliner Regierungsbeamter und der Dummheit vieler Sicherheitsleute, die der Kanzlertross mitgebracht hatte.
»Sie haben ein Mittel, nicht wahr? », fragte er plötzlich, als er ihre Gepäckstücke aus dem Kofferraum hob.
Ridder sah ihn an, zwang sich ein Lächeln ab und nickte.
»Wissen Sie, meine Freundin, also, die wohnt drüben in Cuxhaven und die … na ja, die ist halt krank. Also ich nicht, verstehen Sie?«
Wieder nickte Ridder, jetzt schon sichtlich genervt, denn der kalte Wind zog selbst durch ihre wattierte Winterjacke.
So leise es ging, flüsterte Osbahr ihr zu: »Sie ist schwanger und … und … sie darf nicht sterben. Sie wurde geimpft, aber es wirkt nicht. Verstehen Sie? Ihr Mittel muss helfen.«
Ridder riss sich zusammen und antwortete nur kurz: »Das hängt nicht von uns ab. Hoffen Sie auf diesen Dr. Vogel. Der hebt oder senkt den Daumen.«
Der Polizist sah sie wütend an, aber ehe er eine Antwort geben konnte, waren die beiden Frauen schon zum bewachten Hoteleingang gespurtet.
Wenig später hatte man Clara Ridder und ihrer Assistentin ein kleines Einzelzimmer mit Meeresblick zugewiesen. Bevor sie duschten, durchsuchten sie mit einem kleinen, hochmodernen Scanner das Zimmer nach Wanzen, untersuchten den Fernseher und waren froh, als sie nichts fanden. Sie würden noch heute auf Vogel treffen. Sein Widerstand stellte die größte Herausforderung dar. Die Kanzlerin vertraute
Weitere Kostenlose Bücher