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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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gelassen.
    »Drei, nur die Abiturienten«, und dabei sah ihn Erning an, als ob Fischer sie persönlich ermordet hätte.
    »Sie haben nicht irgendwem das Leben gerettet. Wissen Sie, wer das war?« Der Bataillonskommandeur hatte sich extra nach vorn in den Gefechtsstand der zweiten Hauptkampfstellung fahren lassen, als er von der abenteuerlichen Geschichte hörte. »Das ist Oskar von Niedermayer, unser Held vom Hindukusch.«
    Fischer hatte frische Kleidung erhalten, und sogar eine Rasur war möglich gewesen. Dennoch war er sterbensmüde, konnte sich kaum auf den Beinen halten. Der Grund für seine gute Behandlung saß am Tisch des Kommandeurs, rauchte und sah ihn durchdringend an. Er hob die Hand beschwichtigend. »Wir werden noch Zeit haben, dem jungen Mann davon zu erzählen. Lassen Sie ihn schlafen, von Gruschwitz.«
    Der Offizier wirkte enttäuscht, diese Geschichte hatte ihm in dieser versauten Offensive doch etwas Spaß bereitet. Fischer salutierte und verabschiedete sich mit durchgedrücktem Rücken. Kaum war er vor der Tür, begann er zu niesen.
    So stand er da am Abend des 29. März des vierten Kriegsjahres, rauchte und war endgültig erwachsen geworden, wie er fand. Es war nicht der Orden, nicht der Schlag gegen den Engländer und auch nicht die Rettung dieses verrückten Offiziers. Er hatte die Sinnlosigkeit in ihrem ganzen schmierigen Ausmaße erkannt, er spürte nichts als Leere in sich. Er hatte, so dachte er, seine Lebenslektion gelernt.
    »Haben Sie Feuer?« Niedermayer war wie aus dem Nichts neben ihn getreten.
    Fischer griff in seine Manteltasche, fand Streichhölzer und entzündete sie für den Hauptmann.
    »Was meinte der Kommandeur mit dem Helden vom Hindukusch?«
    Niedermayer schloss die Augen, sog den Rauch ein, hielt ihn lange in den Bronchien und blies ihn dann sehr langsam stoßweise aus. Fischer roch den sonderbaren Duft des Rauchs, konnte ihn aber nicht einordnen, süßlich, nicht so harzig wie die, die hier an der Front verteilt wurden.
    »Wollen Sie mal ziehen?«
    Niedermayer reichte ihm die lange Zigarette, ging in die Hocke und lehnte sich an die Reste einer Hausmauer. Das Donnern und Grollen der Geschütze wenige Kilometer von hier drang dumpf heran, untermalte die bleierne Szenerie. Fischer zog tief an der Zigarette und musste unwillkürlich husten. Er wollte sich aber keine Blöße geben und hielt den Rauch, solange er konnte, in seinen Lungen. Innerhalb kürzester Zeit erwachte eine längst verschüttet geglaubte, innere Wärme in ihm. Sein Kopf wurde leicht, die Bitterkeit seiner Gedanken schien förmlich zu zerlaufen.
    »Ich war im Auftrag seiner Majestät in Afghanistan und Indien tätig. Wir sollten die Stämme dort gegen die englische Kolonialmacht aufwiegeln. Anders als die Propaganda es darstellte, war es ein Misserfolg. Keiner wollte sich uns anschließen. Wir wurden hingehalten, immer wieder vertröstet, aber mit der zunehmenden Verschlechterung unserer Siegeschancen sank auch die Bereitschaft der Länder, sich gegen die Briten aufzulehnen.«
    Fischer war überrascht, wie offen und ehrlich der Offizier mit ihm sprach. Ob es eine Prüfung war? Es war ihm egal. Er wollte dieses Gefühl, das gerade von ihm Besitz nahm, nicht verlieren.
    »Was glauben Sie, Fischer? Ist der Krieg noch zu gewinnen?«
    Fischer sah ihn für lange Sekunden an. »Nein, wenn Sie mich fragen, brauchen wir eine ehrenvolle Kapitulation. Der Amerikaner wirft Tag für Tag immer neue, frische Truppen auf den Kontinent, und wir sind schon längst ausgeblutet. Die Offensive wird sich festfahren. Selbst wenn wir Paris einnähmen, hätten wir noch längst nicht Frankreich erobert. Wir sind hier in der Hölle. Und es wird kein Entkommen geben. Gott ist nicht mehr da.«
    Niedermayer sah ihn kurz an und nickte langsam.
    »Mögen Sie mir von den Ländern im Osten erzählen? Ich habe schon als Kind so gern von fremden Regionen gehört. Ich las so oft in diesem braunen Diercke Schulatlas …«
    Niedermayer lachte. »Ja, ›zum geographischen Gebrauch in Höheren Lehranstalten‹ stand vorn drauf. Ich kann mich erinnern.« Jetzt lachten beide leise.
    »Was wünschen Sie sich gerade, Fischer?«
    Der junge Offizier war verlegen. »Hier wünscht man sich nur eines: Überleben. Herauskommen. Die Heimat sehen.«
    Niedermayer schien ihn zu fixieren. Fischer erwiderte den Blick. »Warum fragen Sie?« Niedermayer sah an Fischer vorbei, zupfte an dessen Jacke und erhob sich. »Wir gehen mal auf das Dach dort oben. Da sind wir

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