Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
über ihr stand. Sie berührte. Trotz seiner unglaublich großen Hände. Alles an ihm wirkte wie durch ein Vergrößerungsglas. Sie hatte sich klein und schutzlos gefühlt. Er aber nahm ihr die Angst mit seiner zarten Unbeholfenheit.Mit heiligem Ernst hatte er sich, wie sein Gebieter ihm befohlen hatte, entkleidet. Er hatte sich über sie gebeugt, aber nicht auf sie gelegt. Denn er schien zu fürchten, sie zu erdrücken. Und just in dem Moment, in dem nur ein Teil seines Schwanzes in sie glitt, glaubte sie, Lilith zu sehen. Glaubte, sie erst als Schatten wahrzunehmen, dann als federleichtes Wesen an der Decke erkennen zu können. Ihre Flügel, die prallen, runden Brüste, deren Brustwarzen wie Tropfen hinabhingen. Und so öffnete sie ihre Beine, drückte sie an die massigen Hüften des Gogs aus Magog und nahm ihn trotz der Schmerzen tiefer in sich auf. Und unter den Augen Liliths, der Dämonin, der Göttin, der Führerin, empfing sie die Zwillinge. Die Giganten. Die Erben. Das war ihr Geschenk für ihren Vater.
Das kleine Militärfunkgerät funktionierte einwandfrei, der Raum zwischen Parkett und Estrich bot genügend Platz für ihre Lebensmittel und die Unterlagen. Die Kisten waren sicher und trocken nicht weit von hier deponiert. Nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft waren sie in der Schreinerei angeliefert worden. Jetzt musste sie warten. In einigen Tagen war ihr Termin. Sie würden nicht aufhören, zu suchen. Aber sie waren egal. Das Leben in ihr war wichtiger. Sie aß und trank nur das Nötigste. Sie musste ihn finden. Er konnte ihr helfen. Ihm konnte sie vertrauen. Er war in München. Etwas in ihr ließ sie das spüren.
Anfangs war die Chefin der Pension noch misstrauisch gewesen. Bevor der Gast eintraf, waren viele Kisten in das Zimmer gebracht worden. Die Schwangere hatte ihr ein Kuvert mit einem erheblichen Geldbetrag unter die Zeitungen auf dem Tisch gelegt. Aufgrund ihrer finanziellen Lage schwieg die Wirtin und ließ das Geld schnell in ihrer Handtasche verschwinden. Aber natürlich wusste sie, dass im Zimmer acht im zweiten Stock kein normaler Gast wohnte. Doch eines wusste sie nicht: In diesem Zimmer wartete die Königin des Chaos auf die Geburt der neuen Könige.
Schlagalm/Tegernsee, Deutschland, 16. 12., 14.14 Uhr
Sie hatte genug gehört. Sollten die Pocken wirklich ausgebrochen sein, wollte sie Deutschland schnellstmöglich verlassen – am besten mit Jan, wenn er dazu bereit war. In Österreich war noch kein Ausbruch der Krankheit vermeldet worden. Pocken, das wusste sie, waren keine exotische Grippe aus Mexiko, die irgendwen betraf. Die Pocken, da war sie sich sicher, waren in der Erinnerung des Menschen, ähnlich wie die Pest, etwas unvorstellbar Grauenhaftes. Und die Angst vor dem Unbekannten schuf Chaos.
Die wenigsten kannten zum jetzigen Zeitpunkt den Krankheitsverlauf oder gar die mögliche Sterberate. Aber das würden die Massenmedien und vor allem das Internet mit seinen selbsternannten Spezialisten in den nächsten Stunden und Tagen »erklären«.
Noch während Regina im Gästezimmer ihre Taschen packte, hatte sie immer wieder versucht, Jan zu erreichen. In der Nacht hatte es noch einmal kräftig geschneit. Und so schaufelte Arwed Köhn in der klirrenden Kälte des Nachmittags den unter einer weißen Schneedecke versteckten Unimog wieder frei. Regina trat aus der Tür. Sie warf ihre Tasche auf den Rücksitz des Fahrzeugs, griff ebenfalls nach einer Schaufel und stieß sie in den Schnee. Die spröde Margot hatte für sie in einem Anfall von Freundlichkeit ein Lunchpaket gepackt. Dankend legte Regina es in den Fußraum.
»Margot wird Sie nach unten zum Parkplatz fahren. Ich muss mich angesichts der Seuche um unser Unternehmen kümmern.« Obwohl er gerade erhebliche Schneemassen bewegt hatte, war Köhn junior kaum außer Atem, wie Regina anerkennend bemerkte.
»Und machen Sie sich nichts aus den Geistergeschichten meines Vaters. Das Bild ist der Familie wichtig, und ich wüsste Almut gern in Sicherheit. Sie hatte nicht gerade eine leichte Kindheit, wissen Sie.«
»Sie müssen ihr sehr nahegestanden haben«, sagte Regina, ohne ihn dabei anzusehen.
Er nickte. »Sie ist da draußen jetzt allein, schwanger und schutzlos. Es liegt mir sehr viel daran, dass Sie sie finden.«
Unter dem Vordach saß der alte Köhn in seinem Rollstuhl und schaute sie aus seinen müden, von der tödlichen Krankheit gezeichneten Augen an. Sie verabschiedete sich freundlich von ihm. Margot Köhn startete den
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