Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
nach Ezechiel. Jan klopfte gegen die Tür. Etwas schabte von innen, und sie hörten es hecheln. Regina schrak zurück. Hunde waren nicht ihr Spezialgebiet. Jan ging in die Knie und flüsterte auf das Tier hinter der Tür ein. Und tatsächlich schien es sich zu beruhigen.
Er drückte die Klinke herunter, und die Tür öffnete sich. Sie mussten sich bücken, um in die Diele zu gelangen. Ein alter, äußerst struppiger Hund mit glasigen Augen lag im Flur. Er wirkte blind und schien auch keine Zähne mehr zu haben. Beißender Gestank kam ihnen entgegen. Sofort mussten beide würgen.
»Kommen Sie herein, ich habe Sie erwartet.«
Über knarzende Holzbohlen gingen sie in gebückter Haltung in einen Wohnraum. Sie trauten ihren Augen kaum. Jeder Zentimeter Wand und Decke war bemalt. Gespenstische Motive waren zu erkennen. In der Ecke an einem Tisch saß Ezechiel und wies stumm auf die Plätze gegenüber. Regina schreckte unwillkürlich zurück. Der Mann schien sehr krank zu sein. Seine Haare hingen in langen fettigen Strähnen vom Kopf bis auf die Schultern herab. Eine große schwarze Hornbrille verbarg nur mühsam die weit hervorstehenden Augäpfel. Das Gesicht war aufgeschwemmt. Er trug eine verfilzte Wolljacke, darunter ein schmutziges weißes Hemd.
»Gefalle ich Ihnen nicht?«, fragte er provozierend und schnitt mit einem großen gezackten Messer kleine Stücke einer Salami ab, die er sich gierig in den Mund schob.
Der Hund drängte sich an Jan und Regina vorbei, kroch unter den Tisch, drehte sich zwei Mal und legte sich dann ächzendauf den Holzboden. Jetzt sahen sie, dass selbst der Boden bemalt war. Unwillkürlich hoben sie ihre Füße, um die Kunstwerke nicht zu beschädigen. Jan erkannte nach genauerem Hinsehen die Herkunft der Malereien. Es waren Kopien aus Werken des mysteriösesten Malers des 16. Jahrhunderts. Es waren die Visionen des Hieronymus Bosch.
In einer bewundernswerten Detailgenauigkeit hatte der Kopist die vom Maler entworfenen kleinen und großen Dämonen, die verzweifelten Seelen der Menschen und die mannigfaltigen Folterformen in diese kleine Hütte oberhalb des Tegernsees übertragen. An einigen Wänden waren die Gestalten nicht nur gemalt, sondern auch in das Holz hineingeschnitzt worden, was ihnen eine neue Tiefe gab. Jan kannte den Maler dank seiner Exfrau, einer Kunsthistorikerin. Sie hatte ihre Doktorarbeit über seine Werke geschrieben. In einer Szene saß ein Paar auf einem großen Heuwagen, eingerahmt von einem Flöte spielenden Teufel und einem betenden Engel. Daneben waren zwei Ohrmuscheln geschnitzt, aus denen ein Messer wuchs. Eine große Harfe hielt einen Gemarterten zwischen ihren Saiten. Obskure Hasen mit Fischschwänzen verschlangen Menschenleiber. Und auch auf dem Boden stiegen oder sanken scheinbar Tote aus Gräbern oder wurden von kleinen Teufeln hinabgezogen. Über allem prangte in der Deckenmitte ein Brunnen, der die Form einer Kugel besaß. Nackte stiegen darauf und tranken das Wasser, das aus großen Öffnungen herausschoss. Es musste Jahre gedauert haben, das ganze Haus zu bemalen und zu bearbeiten.
»Guten Tag, Ezechiel«, begrüßte Regina den Einsiedler freundlich. »Sie baten uns, bei Ihnen vorbeizuschauen, und da wir sowieso gerade in der Nähe waren, dachten wir uns …«
»Sparen Sie sich die Floskeln«, unterbrach er sie brüsk. »Sie sind aus einem anderen Grund hier. Er hat ihnen Geld geboten, viel Geld, nicht wahr? Und dafür sollen Sie für ihn suchen, wie ein Minenhund über die Felder laufen, bis es Klick macht und alles hochgeht. KlickKlickKlick.« Ein Lachen, dunkel und rasselnd, folgte. »Sie schauen so interessiert. Kennen Sie die Hölle?« Ezechiel beugte sich über den Tisch und starrte Jan aus sehr kurzemAbstand erwartungsvoll mit offenem Mund an. Ein Stück Wurst hing in seinem Mundwinkel.
Eher an Regina gerichtet, holte Jan aus: »Ich kenne den Maler, Bosch heißt er. Mitte des 15. Jahrhunderts im heutigen Holland geboren, bekannt für seine endzeitlichen Visionen, die einzigartig waren für die damalige Zeit und noch heute den Experten Rätsel aufgeben. Viele seiner Bilder sind nur auf den ersten Blick christlichen Ursprungs. Es gibt Außenseitermeinungen, die ihn als Mitglied einer spätmittelalterlichen Sekte sehen. Die Motive seien somit verschlüsselte Botschaften und …«
Barsch unterbrach ihn Ezechiel mit dem lauten Hochziehen seiner Nase und einem Hustenanfall, dann wandte er sich Regina zu. »Klug, der Bursche, den Sie da an Ihrer
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