Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
stellte ihm eine Reihe von Fragen, die ein persönliches Bild von Rhoda und deren Kindern zeichnen sollten. Sieben Jahre hatten sie nebenan gewohnt, großartige Nachbarn, wunderbare Leute. Er vermisste sie sehr, konnte es immer noch nicht glauben, dass sie weg waren. Einmal wischte sich Mr Deece eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Das hatte mit dem Prozess nicht das Geringste zu tun, aber Wilbanks spielte einige Minuten lang mit. Dann erhob er sich und sagte höflich: »Euer Ehren, das ist sehr rührend, aber zulässig ist es nicht.«
    »Kommen Sie zur Sache, Mr Gaddis«, sagte Richter Loopus.
    Mr Deece beschrieb die fragliche Nacht – Temperatur, Wetter, Uhrzeit. Er hatte die Stimme des in Panik geratenen fünfjährigen Michael gehört, der seinen Namen rief und ihn um Hilfe bat. Vor seinem Haus hatte er die Kinder im Schlafanzug vorgefunden, nass vom Tau, benommen vor Angst. Er brachte sie ins Haus, wo seine 193

    Frau sie in Decken wickelte. Dann holte er seine Schuhe und die zwei Gewehre. Als er aus dem Haus rannte, sah er, dass Rhoda auf ihn zutaumelte. Sie war nackt und bis auf das Gesicht völlig mit Blut bedeckt. Er hob sie hoch, trug sie zur Veranda und legte sie auf die Hollywoodschaukel.
    Wilbanks hatte sich erhoben und wartete.
    »Hat sie etwas gesagt?«, fragte Gaddis.
    »Euer Ehren, ich erhebe Einspruch dagegen, dass dieser Zeuge sich dazu äußert, was das Opfer gesagt hat. Das ist eindeutig Hörensagen.«
    »Ihr Antrag wurde zu Protokoll genommen, Mr Wilbanks. Wir haben das unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert und Ihren Einspruch festgehalten.
    Sie können die Frage beantworten, Mr Deece.«
    Deece schluckte mühsam, atmete ein, wieder aus und sah die Geschworenen an. »Sie hat zwei- oder dreimal gesagt: ›Es war Danny Padgitt. Es war Danny Padgitt.‹«
    Um die Wirkung zu erhöhen, ließ Gaddis das Echo dieser Worte durch den Sitzungssaal hallen, während er vorgab, seine Notizen zu studieren. »Sind Sie Danny Padgitt je begegnet, Mr Deece?«
    »Nein, Sir.«
    »Hatten Sie seinen Namen vor jener Nacht schon einmal gehört?«
    »Nein, Sir.«
    »Hat Rhoda sonst noch etwas gesagt?«
    »Das Letzte, was sie sagte, war: ›Kümmern Sie sich um die Kinder.‹«
    Ginger betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch.
    Miss Callie betete. Mehrere Geschworene starrten zu Boden.
    Mr Deece erzählte seine Geschichte zu Ende: wie er das 194

    Büro des Sheriffs angerufen hatte, während seine Frau sich mit den Kindern im Schlafzimmer eingeschlossen hatte, dass er duschen musste, weil er voller Blut war, wie die Deputys kamen und zu ermitteln begannen, wie der Krankenwagen die Tote wegbrachte und er und seine Frau bis etwa zwei Uhr morgens bei den Kindern blieben und sie dann nach Clanton ins Krankenhaus brachten. Dort waren sie bei ihnen geblieben, bis eine Verwandte aus Missouri eingetroffen war.
    Seine Aussage enthielt nichts, was man in Zweifel hätte ziehen können, daher verzichtete Lucien Wilbanks auf ein Kreuzverhör. Die Anklage erklärte ihre Beweisführung für abgeschlossen, und wir gingen alle in die Mittagspause.
    Ich fuhr Ginger nach Karaway zu einem mexikanischen Restaurant. Wir aßen unter einer Eiche Enchiladas und redeten über vieles außer über den Prozess. Sie war deprimiert und wollte Ford County schnellstmöglich für immer verlassen.
    Mir dagegen lag viel daran, dass sie noch blieb.

    Lucien Wilbanks begann seine Verteidigung mit einer kleinen Lektion darüber, was für ein netter junger Mann Danny Padgitt in Wirklichkeit sei. Er habe die Highschool mit guten Noten abgeschlossen, arbeite fleißig in der Holzhandlung der Familie und träume davon, eines Tages seine eigene Firma zu besitzen. Nur einmal sei er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, und zwar wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit sechzehn Jahren.
    Wilbanks besaß durchaus Überzeugungskraft, aber er stand vor einer unlösbaren Aufgabe. Es war unmöglich, einen Padgitt warm und kuschelig wirken zu lassen.
    Einige Zuschauer im Saal wanden sich bei seinen Worten, andere grinsten höhnisch. Aber wir würden den Fall nicht 195

    entscheiden. Wilbanks sprach zu den Geschworenen, sah ihnen in die Augen, und niemand wusste, ob er und sein Mandant nicht bereits die eine oder andere Stimme für sich gewonnen hatten.
    Allerdings sei Danny Padgitt kein Heiliger. Wie die meisten gut aussehenden jungen Männer genieße er das Zusammensein mit Frauen. Leider sei er der falschen begegnet, einer, die mit einem anderen

Weitere Kostenlose Bücher