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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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verheiratet sei. Die Nacht, in der Rhoda Kassellaw ermordet worden sei, habe Danny bei dieser Frau verbracht.
    »Hören Sie gut zu!«, dröhnte Wilbanks. »Mein Mandant hat Miss Kassellaw nicht getötet! Als dieser entsetzliche Mord geschah, war er bei einer anderen Frau, die in der Nähe der Kassellaws wohnt. Sein Alibi ist wasserdicht.«
    Diese Ankündigung sorgte für Totenstille im Saal, während wir gespannt auf die nächste Überraschung warteten.
    »Diese Frau, seine Geliebte, wird unsere erste Zeugin sein«, verkündete Wilbanks mit unfehlbarem Gespür für die Dramatik des Augenblicks.
    Kaum hatte er seine Einleitung beendet, wurde die Zeugin hereingeführt. Sie hieß Lydia Vince. Auf meine geflüsterte Frage hin erfuhr ich von Baggy, dass er nie von ihr gehört habe und auch keine Familie Vince aus Beech Hill kenne. Im Saal wurde viel getuschelt, während die Leute versuchten, sie einzuordnen. Dem Stirnrunzeln, den fragenden Blicken und dem Kopfschütteln entnahm ich, dass sie völlig unbekannt war. Aufgrund von Wilbanks’
    einleitenden Fragen erfuhren wir, dass sie im März in einem gemieteten Haus in der Hurt Road gewohnt hatte, aber jetzt in Tupelo lebte. Sie ließ sich gerade scheiden, hatte ein Kind, war in Tyler County aufgewachsen und gegenwärtig arbeitslos. Sie war etwa dreißig, auf eine 196

    billige Art attraktiv – kurzer Rock, volle Brüste, enge Bluse, wasserstoffblondes Haar – und schien panische Angst vor dem Prozess zu haben.
    Sie und Danny hatten etwa ein Jahr lang ein ehe-brecherisches Verhältnis gehabt. Ich sah Miss Callie an, deren offenkundige Missbilligung mich nicht überraschte.
    In der Nacht, in der Rhoda Kassellaw ermordet wurde, war Danny bei Lydia zu Hause. Malcolm Vince, ihr Ehemann, war angeblich mit Freunden in Memphis; weshalb, wusste sie nicht genau. Er war viel unterwegs.
    Sie hatte zweimal Sex mit Danny, und als er etwa um Mitternacht gerade gehen wollte, fuhr der Wagen ihres Mannes in die Einfahrt. Danny schlich sich zur Hintertür hinaus und verschwand.
    Dass eine verheiratete Frau in einer öffentlichen Verhandlung zugab, Ehebruch begangen zu haben, war so schockierend, dass die Geschworenen glauben mussten, dass sie die Wahrheit sagte – zumindest schien das der Plan zu sein. Selbst wenn sie nicht den besten Ruf genoss, ruinierte sie ihn damit endgültig, falls ihr das etwas bedeutete. Mit Sicherheit würde sich diese Aussage auf ihre Scheidung auswirken, vielleicht würde man ihr das Sorgerecht für ihr Kind entziehen. Unter Umständen konnte ihr Mann Danny Padgitt sogar wegen Entfremdung ehelicher Zuneigung verklagen – wobei zweifelhaft war, ob die Geschworenen so weit dachten.
    Lydias Antworten auf Wilbanks’ Fragen waren kurz und gut eingeübt. Sie weigerte sich, die Geschworenen oder ihren angeblichen früheren Geliebten anzusehen.
    Stattdessen hielt sie den Blick gesenkt und schien auf Wilbanks’ Schuhe zu starren. Sowohl der Anwalt als auch die Zeugin hielten sich streng ans Drehbuch. »Sie lügt«, flüsterte Baggy laut, und ich war seiner Meinung.
    197

    Als die Verteidigung die Befragung ihrer Zeugin abgeschlossen hatte, erhob Ernie Gaddis sich und ging mit bedächtigen Schritten zum Podium, wo er die geständige Ehebrecherin mit großem Misstrauen betrachtete. Er sah sie mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen über seine Lesebrille hinweg an, ganz der Lehrer, der eine schlechte Schülerin beim Spicken erwischt hatte.
    »Miss Vince, wem gehört das Haus in der Hurt Road?«
    »Jack Hagel.«
    »Wie lange haben Sie dort gewohnt?«
    »Etwa ein Jahr.«
    »Haben Sie einen Mietvertrag unterschrieben?«
    Sie zögerte einen Sekundenbruchteil zu lang. »Vielleicht mein Mann. Ich kann mich wirklich nicht erinnern.«
    »Wie hoch war die Monatsmiete?«
    »Dreihundert Dollar.«
    Gaddis schrieb ihre Antworten fein säuberlich nieder, als würde jede Einzelheit eingehend geprüft und jede Unwahrheit enthüllt werden.
    »Wann sind Sie dort ausgezogen?«
    »Ich weiß nicht genau, so vor zwei Monaten.«
    »Wie lange haben Sie also in Ford County gelebt?«
    »Ich weiß nicht, ein paar Jahre.«
    »Haben Sie sich jemals in Ford County in die Wählerlisten eintragen lassen?«
    »Nein.«
    »Und Ihr Mann?«
    »Nein.«
    »Wie heißt er noch?«
    »Malcolm Vince.«
    198

    »Wo lebt er jetzt?«
    »Das weiß ich nicht genau. Er ist viel unterwegs. Als ich zum letzten Mal von ihm gehört habe, war er irgendwo in der Gegend von Tupelo.«
    »Und Sie lassen sich

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