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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Chantal. »Du armes Ding«, sagte er.
    »Ja«, schluchzte sie. »Es war schrecklich.«
    »Seit wann weißt du es?«
    »Erst seit ein paar Wochen.«
    »Als du ihn geheiratet hast, wusstest du von nichts?«
    »Nein.«
    »Er und ich«, sagte Ellis. »Wir beide haben dir dasselbe angetan.«
    »Ja.«
    »Du hast dich mit den falschen Leuten eingelassen.«
    »Ja.«
    Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd und ließ den Tränen freien Lauf, weinte über die Lügen, über den Betrug, über die verschwendete Zeit und die vergeudete Liebe. Auch Chantal weinte. Ellis hielt Jane eng umschlungen und strich ihr übers Haar, bis sich ihr Zittern legte und sie ruhiger wurde.
    Sie wischte sich die Nase an ihrem Ärmel ab. »Ich habe sein Funkgerät kaputtgemacht, verstehst du«, sagte sie. »Ich dachte, er könnte mit denen keinen Kontakt mehr aufnehmen. Aber heute wurde er nach Skabun gerufen, um sich um die Verwundeten nach dem Bombenangriff zu kümmern. Bloß dass Skabun heute gar nicht bombardiert worden ist…«
    Mohammed kam aus der Moschee. Ellis löste seinen Arm von Jane, wirkte ein wenig verlegen. »Wie läuft es?« fragte er Mohammed auf französisch.
    »Sie debattieren«, erwiderte Mohammed. »Einige sagen, es ist ein guter Plan, der uns helfen wird, die Russen zu besiegen. Andere fragen, wieso Masud als der einzige gute Befehlshaber gilt, und wer denn dieser Ellis Thaler sei, dass er afghanische Führer beurteilt. Du muss t noch mal zu ihnen gehen und mit ihnen sprechen.«
    »Warte«, sagte Ellis. »Es ist eine neue Entwicklung eingetreten.«
    O Gott, dachte Jane, wenn Mohammed davon erfährt, wird er jemanden umbringen.
    »Es hat eine undichte Stelle gegeben.«
    »Was soll das heißen?« fragte Mohammed, und seine Stimme klang plötzlich drohend.
    Ellis zögerte, als widerstrebe es ihm, Mohammed reinen Wein einzuschenken; aber dann fuhr er fort: »Es ist möglich, dass die Russen von dem Treffen wissen – «
    »Wer ist der Verräter?« fragte Mohammed scharf.
    »Möglicherweise der Doktor, aber -«
    Mohammed blickte zu Jane, und seine Stimme klang noch schärfer: »Und wie lange weißt du das schon?«
    »Sprich höflich mit mir oder gar nicht!« fauchte sie ihn an. »Nur mit der Ruhe«, versuchte Ellis zu beschwichtigen.
    Aber Jane dachte nicht daran, Mohammed diesen anklagenden Tonfall durchgehen zu lassen. »Ich habe dich gewarnt, oder nicht?« sagte sie. »Und ich habe dich dazu gebracht, die Route des Konvois zu ändern. Ich hab’ dir, verdammt noch mal, das Leben gerettet, zeig also mit dem Finger nicht auf mich.«
    Mohammeds Zorn verflog. Ein wenig betreten stand er da.
    Ellis sagte: »Also deshalb wurde die Route geändert.« Er musterte Jane, und aus seinem Blick sprach so etwas wie Bewunderung.
    Mohammed fragte: »Wo ist er jetzt?«
    »Da sind wir uns nicht sicher«, erwiderte Ellis.
    »Falls er zurückkommt, muss er getötet werden.«
    »Nein!« sagte Jane.
    Wie um sie zu beschwichtigen, legte Ellis seine Hand auf ihre Schulter. Zu Mohammed sagte er: »Würdest du wirklich einen Mann töten, der das Leben so vieler deiner Kameraden gerettet hat?«
    »Über ihn muss Gericht gehalten werden«, beharrte Mohammed.
    Jane überlegte. Falls er zurückkommt, hatte Mohammed gesagt. Plötzlich wurde ihr bewusst , dass sie fest mit Jean-Pierres Rückkehr gerechnet hatte. Er würde sie und das Baby doch bestimmt nicht im Stich lassen!
    Ellis sagte: »Falls er ein Verräter ist, und falls es ihm gelungen ist, mit den Russen Kontakt aufzunehmen, dann hat er sie auch über das morgige Treffen informiert. Und zweifellos werden die Russen angreifen und versuchen, Masud zu erwischen.«
    »Das ist sehr schlimm«, sagte Mohammed. »Masud muss so schnell wie möglich von hier fort. Das Treffen muss abgesagt werden -«
    »Nicht unbedingt«, unterbrach ihn Ellis. »Überleg doch mal. Wir könnten es zu unserem Vorteil ausnutzen.«
    »Wie?«
    »Ehrlich«, sagte Ellis, »je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt’s mir. Kann durchaus sein, dass uns nichts Besseres geschehen konnte …«

12
     
     
    SIE EVAKUIERTEN DAS Dorf Darg gegen Tagesanbruch. Masuds Männer gingen von Haus zu Haus, weckten behutsam die Bewohner und sagten ihnen, ihr Dorf werde an diesem Tag von den Russen angegriffen werden, und sie müssten das Tal hinauf nach Banda gehen und sollten nur ihren wertvollsten Besitz mitnehmen. Bei Sonnenaufgang wand sich ein lang gestreckter Zug – Frauen, Kinder, alte Leute und Vieh vom Dorf zum Fluss und folgte

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