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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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spät. Gestern hatten die Rebellenführer angefangen, sich zu versammeln; morgen würden sie wieder aufbrechen. Also war es für die Russen das Gescheiteste, so spät anzugreifen, dass sie auch noch Nachzügler erwischten, jedoch keinesfalls zu spät, weil dann einige Rebellenführer bereits unterwegs sein mochten.
    Nach ein paar Stunden trafen die schweren Waffen ein: zwei Dashokas, 12,7 mm Fla-Maschinengewehre auf zweirädrigen Gestellen, die jedes von einem Guerilla gezogen wurden. Ein schwer beladener Esel folgte. Er schleppte Kästen voll panzerbrechender Munition chinesischer Herkunft.
    Masud erklärte, Schütze für das eine Maschinengewehr werde Jussuf sein, der Sänger, der, wie der Dorfklatsch wissen wollte, wahrscheinlich Janes Freundin Zahara heiraten würde; als Schützen für das zweite Maschinengewehr benannte Masud einen Guerilla namens Abdur aus dem PichTal, den Ellis nicht kannte. Es hieß, Jussuf habe mit seiner Kalaschnikow bereits drei Hubschrauber abgeschossen. Ellis bezweifelte das; er hatte in Asien Hubschrauber geflogen und wusste , dass es nahezu unmöglich war, sie mit einem Gewehr abzuschießen. Doch mit einem Grinsen erklärte Jussuf, dass der › Trick ‹ darin bestand, sich oberhalb des Zielobjekts zu befinden: von einem Berghang auf den Hubschrauber hinunterzufeuern – eine Taktik, die in Vietnam wegen der Andersartigkeit des Geländes nicht möglich gewesen war.
    Obwohl Jussuf jetzt eine wesentlich größere Waffe hatte, wollte er seiner Taktik treu bleiben. Die Maschinengewehre wurden von ihren Gestellen gelöst und von jeweils zwei Mann zu der Felsenhöhe hinaufgetragen, die das Dorf überragte. Die Gestelle und die Munition folgten.
    Von unten beobachtete Ellis, wie die Männer die Maschinengewehre in Stellung brachten.
    Oben gab es eine gut fünf Meter breite Felsplatte, hinter der die Felswand überging in einen sanfter ansteigenden Hang. Die Guerillas stellten die Maschinengewehre ein Stück voneinander entfernt auf und tarnten sie. Natürlich würden die Hubschrauberpiloten sehr bald herausfinden, wo sich die Maschinengewehre befanden, doch würde es ihnen schwerfallen, sie außer Gefecht zu setzen.
    Ellis ging zu dem Holzhäuschen am Ufer zurück. Unwillkürlich musste er an die sechziger Jahre denken. Er hatte das Jahrzehnt als Schuljunge begonnen und als Soldat beendet.
    1967 war er nach Berkeley gegangen mit dem sicheren Gefühl, seine Zukunft ziemlich genau zu kennen: Er wollte Produzent von TV-Dokumentarfilmen werden, und da er intelligent und kreativ war und sich in Kalifornien befand, wo jeder jedes werden konnte, wenn er hart arbeitete, hatte es für ihn keinen Grund gegeben, sein Ziel nicht erreichen zu können. Dann hatten ihn Friedensbewegung und › Flower Power ‹ in ihren Sog gezogen, die Antikriegsmärsche und Love ins und so weiter … bis zum LSD. Und wieder hatte er geglaubt zu wissen, was ihm die Zukunft brachte: Er würde die Welt verändern.
    Dieser Traum war genauso kurzlebig wie der andere, und bald zog ihn, wohl oder übel, etwas anderes in seinen Sog: die stumpfsinnige Brutalität der Army und der hirnrissige Schrecken von Vietnam. Immer, wenn er so zurückdachte, begriff er, dass sich die großen Veränderungen in seinem Leben stets dann ereigneten, wenn er voller Zuversicht in eine scheinbar gesicherte Zukunft blickte.
    Mittag ging vorüber, ohne dass es irgendein Mittagessen gab. Der Grund dafür lag auf der Hand: Die Guerillas verfügten über keinen Proviant. Ellis fiel es schwer, sich an den wahrhaftig simplen Gedanken zu gewöhnen, dass , wo es nichts zu essen gab, auch niemand etwas essen konnte. Wahrscheinlich war dies der Grund dafür, dass fast alle Guerillas starke Raucher waren: Tabak betäubt den Appetit.
    Sogar im Schatten war es heiß. Er saß in der Türöffnung des kleinen Holzhauses und versuchte, das Quäntchen frischerer Luft einzuatmen, das vom Fluss herbeizustreichen schien. Er sah die Felder, die sich über den Fluss wölbende Steinbrücke, das Dorf mit seiner Moschee und den überhängenden Fels. Die meisten Guerillas waren jetzt auf ihren Positionen, wo sie sich in Deckung befanden und auch Schutz vor der Sonne hatten. Die meisten von ihnen steckten in Häusern nahe der Felswand, wo sie von den Bordwaffen der Hubschrauber nur schwer zu erwischen waren; andere kauerten, unvermeidlicherweise, in vorgeschobenen Positionen, dichter beim Fluss , wo sie weniger geschützt waren.
    Die raue Steinfassade der Moschee wurde

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