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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nur ein kurzes Stück entfernt, aus ihren Gewehren Schüsse abgaben? »Du hast sie gerettet«, sagte Jane. Fara blickte so furchtsam drein, als sei eine Beschuldigung gegen sie vorgebracht worden.
    Jane nahm Chantal auf die linke Hüfte und legte den rechten Arm um Fara, drückte sie an sich. »Du hast mein Baby gerettet!« sagte sie. »Ich danke dir! Ich danke dir!«
    Fara strahlte einen Augenblick vor Freude, brach dann jedoch in Tränen aus.
    Jane versuchte, sie zu beschwichtigen, und sie tätschelte ihr den Rücken, so wie sie Chantals Rücken getätschelt hatte.
    Sobald Fara sich wieder beruhigt hatte, fragte Jane: »Was ist in der Moschee passiert?
    Ist irgendjemand verletzt?«
    »Ja«, sagte Fara verwirrt.
    Jane lächelte. Man konnte Fara nicht drei Fragen hintereinanderstellen und eine vernünftige Antwort erwarten. »Was ist geschehen als du in die Moschee kamst?«
    »Sie fragten, wo der Amerikaner ist.«
    »Wen fragten sie?«
    »Alle. Aber keiner wusste es. Der Doktor fragte mich, wo du seist und das Baby, und ich sagte, das wüsste ich nicht. Dann nahmen sie sich drei von den Männern vor: zuerst meinen Onkel Schahazai, dann den Mullah, dann Alischan Karim, den Bruder des Mullahs.
    Die drei befragten sie dann noch einmal, aber es hatte keinen Zweck, denn die Männer wussten nicht, wohin der Amerikaner gegangen war. Dann schlugen die Russen die Männer.«
    »Sind sie schlimm verletzt?«
    »Sie haben nur Schläge gekriegt.«
    »Ich werde sie mir ansehen.« Besorgt erinnerte Jane sich daran, dass Alischan ein schwaches Herz hatte. »Wo sind sie jetzt?«
    »Noch in der Moschee.«
    »Komm mit!« Jane ging ins Haus, und Fara folgte.
    Im vorderen Raum fand Jane auf dem alten Ladentisch ihre Schwesterntasche. Sie fügte dem normalen Inhalt noch ein paar Nitroglyzerin-Tabletten hinzu und trat dann wieder ins Freie. Während sie auf die Moschee zustrebte, Chantal noch immer fest im Arm, fragte sie Fara: »Was ist sonst noch passiert?«
    »Der Doktor hat mich gefragt, wo du bist. Ich habe zu ihm gesagt, das weiß ich nicht.
    Und das war die Wahrheit.«
    »Haben sie dir wehgetan ?«
    »Nein. Der Doktor schien sehr wütend zu sein. Aber geschlagen hat mich keiner.«
    Jane fragte sich, weshalb Jean-Pierre so wütend gewesen war. Ahnte er vielleicht, dass sie die Nacht mit Ellis verbracht hatte? Plötzlich wurde ihr bewusst , dass vermutlich das ganze Dorf denselben Verdacht hegte. Wie würden die Leute reagieren? War es für sie nicht vielleicht der endgültige Beweis, dass sie die Hure von Babylon war?
    Aber noch würde sie vor einer Achtung sicher sein – zumindest, solange es noch Verletzte gab, die versorgt werden muss ten . Sie erreichte die Moschee und betrat den Hof. Abdullahs Frau sah sie, eilte herbei und führte sie zu der Stelle, wo ihr Mann auf dem Boden lag. Auf den ersten Blick schien mit ihm alles in Ordnung zu sein, und da Jane sich wegen Alischans Herz Sorgen machte, überließ sie den Mullah erst einmal sich selbst und trat zu Alischan, der in der Nähe lag.
    Sein Gesicht war grau, er atmete mühsam und hatte eine Hand auf seine Brust gelegt: Die Schläge hatten, genau wie von Jane befürchtet, einen Anginaanfall ausgelöst. Sie gab ihm eine Tablette und sagte: »Kauen, nicht einfach schlucken.«
    Sie blickte zu Fara, reichte ihr Chantal, untersuchte Alischan dann in aller Eile. Die Schläge hatten schlimme Spuren hinterlassen, aber Knochenfrakturen hatte er offenbar nicht erlitten. »Womit haben sie dich geschlagen?« fragte sie ihn.
    »Mit ihren Gewehrkolben«, erwiderte er heiser.
    Sie nickte. Er konnte von Glück sagen: Der einzige gefährliche Schaden, den sie ihm zugefügt hatten, war der Stress , der üble Auswirkungen auf sein Herz haben konnte – doch davon erholte er sich bereits. Sie betupfte die aufgerissenen Hautstellen mit Jod und sagte ihm, er solle noch eine Stunde am selben Platz liegen bleiben.
    Jetzt wandte sie sich wieder Abdullah zu. Doch als der Mullah sah, dass sie sich ihm näherte, winkte er sie laut schreiend von sich fort. Sie wusste , was ihn so erzürnt hatte: Seiner Überzeugung nach hätte er bei der Behandlung absolute Priorität genießen müssen. Er war beleidigt, weil sie sich zuerst um Alischan gekümmert hatte. Jane dachte nicht daran, sich zu entschuldigen. Sie hatte ihm schon früher klargemacht, dass sie ihre Patienten nach der jeweiligen Dringlichkeit behandelte und nicht nach der Rangfolge.
    Jetzt drehte sie sich von ihm fort. Wozu darauf bestehen, den alten

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