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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Antwort würde lauten: › Ja, das war es wert. ‹ «

19
     
     
    SIE VERLIESSEN GADWAL in der tiefen Dunkelheit vor Tagesanbruch. Vielleicht konnten sie durch den frühen Aufbruch ein oder zwei Stunden gegenüber den Russen gewinnen.
    Ellis wusste , wie schwer es selbst für einen fähigen Offizier war, einen Trupp Soldaten vor der Morgendämmerung in Gang zu bekommen. Der Koch musste Frühstück machen, der Quartiermeister musste das Lager abbrechen, der Funker musste beim Hauptquartier Meldung machen, und die Männer mussten essen - all das kostete Zeit. Und dies war denn auch der eine Vorteil, den Ellis gegenüber dem russischen Befehlshaber hatte. Er brauchte nur die Stute zu beladen, während Jane Chantal stillte, und Halam wach zu rütteln .
    Vor ihnen lag ein langer, langsamer Anstieg zum Nuristantal , so an die fünfzehn Kilometer etwa, dann ging es weiter durch ein Seitental. Der erste Abschnitt, dachte Ellis, sollte nicht allzu schwierig sein, selbst in der Dunkelheit, denn immerhin gab es dort eine Art Straße. Falls Jane durchhielt, konnten sie am Nachmittag das Seitental erreichen und bis zum Einbruch der Dunkelheit noch mehrere Kilometer zurücklegen. Lag das Nuristantal erst einmal hinter ihnen, so würde es schwer sein, ihnen auf der Spur zu bleiben; die Russen konnten ja nicht wissen, welches Seitental sie eingeschlagen hatten.
    Halam ging voraus. Er trug Mohammeds Kleidung, auch die Chitrali-Kappe. Jane folgte mit Chantal, und die Nachhut bildete Ellis mit Maggie am Zügel. Das Pferd hatte ein Gepäckstück weniger zu tragen. Für den Mohammed überlassenen Beutel war kein geeigneter Ersatz zu finden gewesen, und so hatte Ellis den größten Teil seines Sprengmaterials in Gadwal zurücklassen müssen. In den geräumigen Taschen seiner wattierten Jacke war jetzt verstaut, was er für alle Fälle bei sich haben wollte: etwas TNT, ein Stück Spezialzündschnur, ein paar Zündkapseln und die Zündvorrichtung mit dem Abzugsring.
    Jane war vergnügt und voller Energie. Die Ruhe am gestrigen Nachmittag hatte ihre Kraftreserven wieder aufgefüllt. Sie besaß eine bewundernswerte Zähigkeit, und Ellis war stolz auf sie. Als er darüber nachdachte, begriff er allerdings nicht recht, wieso er das Recht zu haben glaubte, auf ihre Kraft stolz zu sein.
    Halam trug eine Kerzenlaterne, die groteske Schatten auf die Felswände warf. Er wirkte mürrisch. Am Tag zuvor war er ein einziges Lächeln gewesen, offenbar hochzufrieden, dass er teilnehmen durfte an dieser bizarren Expedition; doch an diesem Morgen zeigte er sich verdrossen und wortkarg. Ellis schob das auf den frühen Aufbruch.
    Der Pfad - soweit man überhaupt von Pfad sprechen konnte - schlängelte sich an der Felswand entlang, führte manchmal hinunter bis hart an den Rand des Wassers, strebte dann wieder ganz empor in luftige Höhen. Dann, nach etwa anderthalb Kilometern, hörte der Weg ganz plötzlich auf. Halam sagte, der Pfad sei bei einem Unwetter fortgespült worden, und sie müssten warten, bis es hell war, um zu sehen, wie es weitergehen sollte.
    Doch Ellis wollte auf keinen Fall Zeit verlieren. Zur linken Hand war Fels, zur rechten Hand und unmittelbar vor ihm nur Wasser. Er zog seine Stiefel und seine Hosen aus und begann zu waten. Das Wasser war eiskalt, doch ging es ihm an der tiefsten Stelle nur bis zu den Hüften, und er erreichte ohne Schwierigkeiten die gegenüberliegende Seite. Er kam zurück, führte zuerst Maggie hinüber, holte dann Jane und Chantal. Als letzter folgte Halam, dessen Schamgefühl es selbst in der Dunkelheit nicht zuließ, dass er sich entkleidete; also musste er mit vor Nässe triefenden Hosen weitermarschieren, was ihn noch übellauniger machte.
    Sie kamen in der Dunkelheit durch ein Dorf. Für kurze Zeit folgten ihnen ein paar bellende Köter, die sich jedoch in sicherer Entfernung hielten. Bald darauf zeigte sich der erste Lichtstreif am östlichen Himmel, und Halam löschte die Kerze aus.
    Sie mussten den Fluss noch mehrmals durchwaten: an Stellen, wo der Pfad fortgespült oder durch einen Erdrutsch blockiert war. Halam schloss mit sich selbst einen Kompromiss , indem er seine beutligen Hosen bis über die Knie hochkrempelte. Einmal begegneten sie bei einer Fluss überquerung einem Reisenden, der von der anderen Seite kam. Er war ein kleiner, skelettartig aussehender Mann, der ein Schaf mit fettem Schwanz in seinen Armen durch den Fluss trug. Halam hatte ein langes Gespräch mit ihm in irgendeiner

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