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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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auszumachen war, als dass eine Suche per Hubschrauber gelohnt hätte.
    Ellis gab dem Pferd zwei oder drei Handvoll Getreidekörner. Jane stillte Chantal, wechselte die Windeln und fiel dann sofort in Schlaf. Ellis weckte sie kurz, um sie in den Schlafsack zu stecken; dann nahm er Chantals Windel und ging damit zum Fluss , um sie zu waschen. Wieder in der Steinhütte, legte er die Windel zum Trocknen dicht ans Feuer.
    Eine Weile lang lag er neben Jane und betrachtete ihr Gesicht im flackernden Schein des Feuers, während Halam, auf der anderen Seite der Hütte, laut schnarchte. Jane sah erschöpft aus, völlig erschöpft; ihr Gesicht wirkte dünn, die Wangen eingefallen, Haut und Haare waren voll Schmutz. Sie schlief unruhig, bewegte stumm die Lippen, und durch ihre Wangenmuskeln ging ein Zucken, sodass es aussah, als schneide sie Grimassen. Ellis fragte sich, wie lange sie wohl noch durchhalten würde. Es war das Tempo, das sie umbrachte. Wäre ihnen mehr Zeit geblieben, so hätte Jane die Strapazen besser ertragen können. Wenn die Russen die Verfolgung doch bloß aufgeben würden …
    Wenn doch die Soldaten zum Kampf in einem anderen Teil dieses verfluchten Landes gebraucht würden…
    Er dachte an den Hubschrauber, den er gehört hatte. Vielleicht hatte der Einsatz dieser Maschine mit der Suche nach den Flüchtigen gar nichts zu tun. Aber das war wenig wahrscheinlich. Und wenn der Einsatz dieses Hubschraubers zur Suchaktion gehörte, dann konnte Mohammeds Ablenkungsmanöver bei den Russen kaum den erwünschten Erfolg gehabt haben.
    Unwillkürlich malte er sich aus, was wohl geschehen würde, wenn sie in die Hände ihrer Verfolger gerieten. Ihm, Ellis, drohte ein Schauprozess , bei dem die Russen es darauf anlegen würden, skeptischen, bündnisfreien Ländern zu beweisen, dass die afghanischen Rebellen nichts anderes waren als Marionetten der CIA. Die Vereinbarung zwischen Masud, Kamil und Azizi würde scheitern. Es würde keine Waffen geben für die afghanischen Rebellen. Und der Widerstand, entmutigt, würde schwächer werden und vielleicht einen weiteren Sommer nicht überstehen.
    Und nach dem Schauprozess ? Da würde der KGB sich Ellis erst richtig vornehmen. Er seinerseits würde so tun, als ob er den Folterungen mit aller Kraft zu widerstehen versuchte - um dann jedoch zusammenzubrechen und seinen Schergen alles zu gestehen. In Wirklichkeit würde er ihnen jedoch nur Lügen auftischen. Darauf waren die KGB-Leute natürlich vorbereitet, und sie würden ihn wieder foltern; und diesmal würde er ihnen einen glaubwürdigeren Zusammenbruch vorspielen und ein Gemisch aus Tatsachen und Erfindungen erzählen, das sie praktisch kaum überprüfen konnten. Auf diese Weise hoffte er zu überleben. Falls ihm das gelang, würde man ihn nach Sibirien schicken. Nach einigen Jahren konnte er hoffen, gegen einen sowjetischen Spion ausgetauscht zu werden, den man in den Staaten gefasst hatte. Andernfalls würde er in irgendeinem Lager umkommen.
    Am schwersten würde ihn die Trennung von Jane treffen. Er hatte sie gefunden, sie verloren, sie wiedergefunden: ein unerhörtes Glück, das ihn innerlich noch immer taumeln ließ, wenn er daran dachte. Die Vorstellung, sie ein zweites Mal zu verlieren, war einfach unerträglich.
    Ellis lag nahe bei Jane, und er sah sie an, lange, sehr lange, und versuchte, dem Schlaf zu widerstehen, aus Angst, sie könne vielleicht nicht mehr da sein, wenn er erwachte.
     
     

     
     
    Jane träumte, sie sei im Hotel George V. in Peschawar, Pakistan. Das George V. befand sich natürlich in Paris, doch in ihrem Traum fiel ihr diese Absonderlichkeit nicht auf. Sie rief den Zimmer-Service und bestellte ein Filet-Steak, nicht ganz durch, mit Kartoffelpüree und einer Flasche Chäteau Ausone 1971. Sie hatte einen furchtbaren Hunger und konnte gar nicht begreifen, warum sie mit der Bestellung so lange gewartet hatte. Sie beschloss , die Zeit zu nutzen und ein Bad zu nehmen, bis ihr Dinner fertig war.
    Das Badezimmer, mit Teppichen ausgelegt, war angenehm warm. Sie drehte den Wasserhahn auf, schüttelte etwas Badesalz in die Wanne und roch den Duft im aufsteigenden Dampf. Sie konnte überhaupt nicht verstehen, wie sie so ungeheuer schmutzig hatte werden können. Es war ein Wunder, dass man sie ins Hotel gelassen hatte! Gerade wollte sie einen Fuß in die Wanne setzen, als sie hörte, wie jemand ihren Namen rief. Das musste wohl der Zimmer-Service sein; wie ärgerlich – jetzt würde sie essen müssen,

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