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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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statt der primitiven Holzhäuser, die sich an den Abhängen empor türmten wie ein Haufen achtlos hinge-worfener Klappstühle, sahen sie jetzt kastenförmige Behausungen aus dem gleichen Stein wie die Felsen, an deren Wänden und Hängen sie ungeschützt zu haften schienen wie Möwennester.
    Um die Mittagszeit machten sie in einem Dorf halt, und Halam sorgte dafür, dass sie in ein Haus eingeladen und mit Tee bewirtet wurden. Es war ein zweistöckiges Gebäude, dessen untere Etage offensichtlich als Lagerraum diente, genau wie das im Mittelalter bei englischen Häusern der Fall gewesen war. An dieses Detail aus irgendeiner lang zurückliegenden Geschichtsstunde erinnerte sich Ellis jetzt. Jane gab der Frau des Hauses ein kleines Fläschchen mit einer rosafarbenen Medizin gegen die Darmparasiten ihrer Kinder und erhielt als Gegengabe in der Pfanne gebackenes Brot und köstlichen Ziegenmilchkäse. Sie saßen auf dem Lehmfußboden auf Teppichen rund um das offene Feuer, über sich das Dach aus Pappelgebälk und Weidengeflecht. Einen Schornstein gab es nicht, und so stieg der Rauch vom Feuer in die Höhe und drang schließlich durch das Dach hinaus. Deshalb, so vermutete Ellis, gab es in diesen Häusern keine Zimmerdecken.
    Er hätte Jane nach dem Mahl gern ein wenig Ruhe gegönnt, doch das Risiko schien ihm zu groß. Schließlich wusste er ja nicht, wie weit - oder wie dicht - die Russen hinter ihnen waren. Jane sah müde aus, wirkte ansonsten jedoch okay. Der sofortige Aufbruch hatte noch einen weiteren Vorteil: Halam blieb keine Gelegenheit, mit den Dörflern ins Gespräch zu kommen.
    Als sie dann wieder unterwegs waren, weiter das Tal hinauf, beobachtete Ellis Jane sehr aufmerksam. Schließlich bat er sie, das Pferd zu führen, während er seinerseits Chantal übernehmen wollte, weil das Tragen des Babys anstrengender war.
    Jedes Mal , wenn sie zu einem ostwärts führenden Seitental kamen, blieb Halam stehen, studierte es sorgfältig, schüttelte dann den Kopf und ging weiter. Offenbar war er sich des Weges nicht sicher, was er allerdings hitzig bestritt, als Jane ihn fragte. Es war nervenaufreibend, zumal Ellis so sehr daran lag, aus dem Nuristantal herauszukommen.
    Doch da war ein Gedanke, mit dem er sich zu trösten versuchte: Wenn Halam sich nicht sicher war, welchen Weg sie einschlagen sollten, dann würden auch die Russen nicht wissen, welchen Weg die Flüchtigen genommen hatten.
    Als Ellis schon zu fürchten begann, dass Halam die richtige Abzweigung verpasst haben mochte, blieb dieser an einer Stelle stehen, wo ein plätschernder Bach in den Nuristanfluss mündete, und erklärte, dass ihre Route jetzt dieses Tal entlangführen würde. Er schien eine Ruhepause einlegen zu wollen, als widerstrebe es ihm, vertrautes Gelände hinter sich zu lassen, doch Ellis trieb die kleine Gruppe weiter.
    Bald führte sie eine Steigung durch einen Birkenwald, und das Haupttal hinter ihnen geriet außer Sicht. Vor sich sahen sie den Gebirgszug, den sie zu überqueren hatten, eine ungeheure, schneebedeckte Felsmasse, die ein Viertel des Himmels auszufüllen schien, und Ellis dachte: Selbst wenn wir den Russen entkommen, wie sollen wir das überwinden? Jane strauchelte ein-oder zweimal und fluchte, was Ellis als ein Zeichen dafür nahm, dass sie, obwohl sie sich mit keinem Wort beklagte, jetzt doch rasch ermüdete.
    Als es zu dunkeln begann, gelangten sie in eine kahle, öde, unbewohnte Gegend. Da Ellis fürchtete, in einem solchen Gelände würde sich kein Obdach finden, machte er den Vorschlag, die Nacht in einer leeren Steinhütte zu verbringen, an der sie etwa eine halbe Stunde zuvor vorübergekommen waren. Jane und Halam stimmten zu, und so kehrten sie um.
    Ellis bestand darauf, dass Halam in der Hütte Feuer machte und nicht draußen, damit die Flamme auf keinen Fall aus der Luft gesehen werden könne - und damit es auch keine verräterische Rauchsäule gab. Seine Vorsicht erwies sich schon wenig später als gerechtfertigt, als sie über sich das Dröhnen eines Hubschraubers hörten. Das bedeutet vermutlich, dachte Ellis, dass die Russen nicht weit entfernt sind. Was allerdings in diesem Land für einen Hubschrauber eine kurze Entfernung war, mochte zu Fuß nicht zu bewältigen sein. Vielleicht befanden sich die Russen auf der anderen Seite eines unüberwindlichen Berges – in der Luftlinie nur ein oder zwei Kilometer entfernt. Es war ein Glück, dass die Landschaft so wild war - und dass der Pfad aus der Luft zu schwer

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