Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
halfen die beiden Carabinieri dem Commissario in den Wagen. Wenn er hinten saß, konnte er das Bein mit dem Gipsverband auf den Beifahrersitz legen. Mit dessen zurückgeklappter Rückenlehne wurde der alte Mercedes zu einem recht komfortablen Krankenwagen.
«Wenigstens hat man uns das Autoradio gelassen», sagte Laura. «Das bekräftigt meine Theorie, dass es Marco war. Es wurde nichts gestohlen.»
«Ich werde mit ihm reden», brummte Sarbia.
«Ja, das wäre sicher nicht schlecht», stimmte Guerrini zu. «Ich habe etwas gegen Leute, die Katzen die Köpfe abhacken!»
Michele Amato bat Laura darum, mit ihm ein paar Schritte von den andern wegzugehen. «Ich wollte Ihnen danken, Commissaria», sagte er und wurde ein bisschen rot. «Wegen Nella. Sie wissen schon.» Er hielt seine Mütze in der Hand, und Laura fiel auf, dass seine Haare für einen Carabiniere ein klein wenig zu lang waren.
«Passen Sie gut auf Nella auf», erwiderte sie. «Wie geht es ihr überhaupt?»
«Der Arzt hat gesagt, dass sie mindestens eine Woche ganz ruhig liegen bleiben muss. Die Platzwunde hat er genäht, die ist nicht so schlimm. Aber sie hat eine Gehirnerschütterung.»
«Das dachte ich mir», murmelte Laura.
«Sie waren das, nicht wahr?» Er sah sie fragend an.
«Ja, Sergente. Ich habe ihr mit voller Wucht eine Bratpfanne über den Kopf gehauen, um mein Leben zu retten. Deshalb passen Sie auch gut auf sich auf. Mit den Cabun-Frauen ist nicht zu spaßen!» Sie lächelte ihm zu, versetzte ihm einen leichten Schubs und ging zum Wagen zurück.
«Wir haben keinen Sciachettrà für deinen Vater gekauft», sagte Guerrini kurz vor La Spezia.
«Doch!» Im Rückspiegel warf Laura ihm einen Blick zu. «Natürlich habe ich eine Flasche gekauft. Bin beinahe umgefallen, so teuer war er.»
«Es ist ja auch der Wein der Könige. Kostbar und unendlich köstlich. Seit Jahrhunderten nur in den Cinque Terre gekeltert … Boccaccio beschreibt ihn im ‹Dekameron› … Dein Vater wird auf Engelsflügeln schweben, wenn er nur ein winziges Gläschen davon trinkt …»
Laura bremste vor einer roten Ampel und schaute sich entgeistert nach Guerrini um. Er lachte laut. «Ich mag es, wie du immer wieder auf mich hereinfällst!»
«Für einen Augenblick dachte ich, dass du den Verstand verloren hast!»
«Hab ich auch. Sonst würde ich nicht mit gebrochenem Bein im Wagen einer deutschen Kommissarin liegen.»
«Schlimm?»
«Nein, eigentlich ganz angenehm.»
«Hm. Willst du nach Siena oder nach München?»
«Ich weiß es noch nicht.»
«Du musst dich spätestens an der Autostrada entscheiden. Wenn wir auf dem Weg nach Norden sind, werde ich nicht mehr umkehren. Da läuft ein Mörder frei herum, und ich möchte nicht, dass er noch mehr Unheil anrichtet.»
«Sehr lobenswert.»
«Was ist denn mit dir? Kannst du denn gar nichts mehr ernst nehmen?» Laura musste lächeln, obwohl sie traurig war. Traurig, weil sie die Cinque Terre verlassen musste, weil sie sich Sorgen um Nella und Simonetta machte – jenes junge Mädchen, das sie nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte.
«Nein. Ich möchte im Augenblick nichts ernst nehmen. Ich fühle mich wie eine bedeutende Persönlichkeit – im Fonds eines Mercedes, mit einer attraktiven Chauffeuse, die gleichzeitig mein Bodyguard ist und meine Geliebte.»
«Eingebildeter italienischer Macho!», erwiderte Laura und schaltete das Radio ein. Eros Ramazotti. Laura schaltete es aus. «Noch so einer.»
«Du kannst wirklich sehr witzig sein. Das hast du sicher von deinem Vater.»
«Meine Mutter war auch witzig. Ich hasse La Spezia. Es kommt mir vor wie ein schwarzes Loch, das mich verschluckt. Jedes Mal verfahre ich mich hier.»
«Links!», sagte Guerrini.
Es dauerte trotzdem zwanzig Minuten, ehe sie endlich die Einfahrt zur Autobahn erreichten.
«Siena oder München?», fragte Laura wieder.
«Warte!»
«Nein!»
«München!»
«Sicher?»
«Sicher. Ich schulde deinen Kindern noch eine Runde. Außerdem kriegst du mich so schnell nicht los. Ich bin nämlich gern mit dir zusammen.»
«Ach so?»
«Ja, wirklich!»
«Was macht die innere Wüste?»
«Weiß nicht genau. Sie sieht seltsam grün aus.»
Laura nahm eine Hand vom Steuerrad und legte sie auf sein Bein.
«Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?»
«Ich werde es mir überlegen.»
Irgendwann war Guerrini eingeschlafen. Es hatte Laura nichts ausgemacht. Er war mit seiner Verletzung nicht in Selbstmitleid versunken, und sie
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