Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
den Durchsuchungsbefehl!» Kommissar Baumanns Stimme klang triumphierend.
«Schön! Wann treffen wir uns vor der Wohnung?» Laura saß am PC ihres Sohnes und schrieb den «Vertrag» für Ülivias Zukunft.
«Um zehn! Havel und seine Jungs kommen gleich mit. Heißt das, dass du vorher nicht ins Dezernat kommst?»
«Genau das heißt es!»
«Na gut. Ich wollte dir vorher noch meine Änderungen an dem verdammten Protokoll zeigen. Hab die halbe Nacht damit zugebracht.»
«Ich hab auch nicht geschlafen!»
«Warum denn nicht?»
«Türkische Tragödie!»
«Schon wieder?»
«Schon wieder.»
«Na dann, bis zehn!»
«Bis zehn!»
Es war halb neun. Sofia und Luca waren längst zur Schule gegangen. Sofia unter heftigen Protesten. Sie wollte noch einen Tag mit ihrem Vater verbringen und Ülivia umsorgen. Nur mit Mühe hatten Laura und Ronald sie überzeugen können, dass Schule ebenfalls wichtig war. Ronald war bereit, bis zwei Uhr auf Ülivia aufzupassen, danach würde ihn eine Nachbarin aus dem zweiten Stock ablösen. Sie hatte vor zwei Monaten ihren Job verloren, nahm es aber nicht so tragisch, wollte ohnehin nach Neuseeland auswandern. Laura war locker mit ihr befreundet, trank ab und zu einen Kaffee mit ihr. Es war beinahe alles organisiert, im Griff, und trotzdem empfand Laura totale Atemlosigkeit. Schrieb zwei Zeilen des «Vertrags» und dachte: Ich brauche Urlaub, ich will hier weg! Wieder zwei Zeilen. Urlaub! Ruhe! Frieden! Fertig!
Laura druckte den Vertrag aus, las ihn durch, fand ihn halbwegs in Ordnung, fragte sich aber, ob die Özmers ihn annehmen würden. Es gab ja keinerlei rechtliche Grundlage für so ein Papier, war reiner Bluff. Ein Versuch, die Situation wieder in halbwegs vernünftige Bahnen zu lenken.
Laura gab das Schreiben Ronald.
«Lies es durch, ändere es, mach, was du willst – aber lass sie bitte unterschreiben! Ich muss in zwanzig Minuten weg!»
Sie brachte Ülivia frischen Tee und eine Schale mit Obst. Die junge Frau hatte die Decke über den Kopf gezogen. Nur ein schwarzes lockiges Haarbüschel schaute heraus.
«Ülivia?» Vorsichtig zog Laura an der Bettdecke.
Ülivia weinte. Das Kissen war nass.
«Was ist denn los?» Laura schüttelte sanft die Schulter des Mädchens. Ülivia drehte den Kopf in die Kissen.
«Das mit deinen Eltern werden wir schon irgendwie hinkriegen», sagte Laura und setzte sich auf die Bettkante.
«Es ist Riza», schluchzte Ülivia halb erstickt in die Kissen.
«Was ist mit Riza?» Laura ahnte es schon.
«Riza sagt, dass wir besser nie mehr treffen. Zu gefährlich für dich, sagt Riza. Er will mich beschützen, und deshalb will er mich nicht mehr sehen … aber ich liebe ihn so, Laura. Ich sterbe, wenn ich ihn nie mehr sehen kann!»
Laura streichelte Ülivias Hand, dachte: Scheißkerl! Aber wahrscheinlich hat er sogar Recht. Trotzdem Scheißkerl!
«Warum geht er nicht mit mir weg, wie der Mann von meiner Schwester? Ich überall mit ihm hingehen!» Ülivia schluchzte so laut, dass Ronald den Kopf ins Zimmer streckte und Laura fragend ansah. Sie legte einen Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf. Ronald zog sich wieder zurück.
Was sage ich jetzt, dachte Laura. Dass alles nicht so schlimm ist, dass es sich nicht lohnt, für einen Riza zu sterben … Dass ich auch schon jede Menge Liebeskummer überlebt habe? Das ist genau das, was Ülivia mit Sicherheit nicht hören will.
«Tut verdammt weh», sagte sie deshalb. «Ich kann das gut verstehen. Wein dich aus, Ülivia. Dann wird es leichter. Und vergiss nicht, dass es Menschen gibt, die für dich da sind. Harun möchte dich übrigens auch sehen.»
«Aber ich sie nicht!» Ülivia fuhr hoch, ihr Haar flog, und ihre rot verweinten Augen blickten hasserfüllt. «Nicht Harun! Ich will nie mehr sehen. Ist nicht mehr meine Schwester!»
«Pssst!», machte Laura. «Versuch zu schlafen oder geh duschen. Hier ist Tee. Du kannst sicher sein, dass das Leben weitergeht, Ülivia, und die meisten Wunden heilen nach einiger Zeit. Ich muss jetzt zur Arbeit. Ronald wird bei dir bleiben. Wir sehen uns später, ja?»
Die junge Frau antwortete nicht, zog einfach wieder die Decke über den Kopf.
Die Geranien mit Verzweiflungstrieben standen noch immer am Fenster des Treppenhauses in der Herzogstraße. Der rote Teppich auf den Stufen zur Dachwohnung war makellos sauber. Den Schlüssel hatte Baumann von der Hausverwaltung bekommen, der Mieter aus Hamburg war angeblich nicht erreichbar.
«Absichtlich», verkündete
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