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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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dann auf morgen, Commissario.»
    «A domani, Sergente!»
    Tommasini ist nicht dumm, dachte Guerrini, während er die Bistecche in einem Gemisch aus Knoblauch, Thymian und Olivenöl wendete. Er hat genau durchschaut, dass ich diesen Fall nicht ganz ernst nehme. Ich werde den Fall mit meinem Vater besprechen, dann haben wir ein Thema, und der Abend ist gerettet. Bin gespannt, wen der alte Guerrini für den Mörder hält.

    Die türkisch-deutschen Verhandlungen begannen gegen halb neun. Wenigstens hatten sie noch in Ruhe zu Abend essen können. Danach nahmen Ronald und Laura die Einladung zu Gesprächen an, begaben sich in die Räume der Gegenpartei, mussten husten, als sie das große Wohnzimmer der Özmers betraten, so verraucht war es. Laura begriff sofort, dass nicht nur der männliche Özmer-Clan versammelt war, sondern auch noch ein paar andere Türken, die sie noch nie gesehen hatte. Laura war die einzige Frau im Zimmer – die anderen Frauen standen im Flur herum, in der Küche, machten Tee und Kaffee, huschten hin und wieder in den Raum, um Tassen aufzufüllen, Aschenbecher zu leeren.
    Irgendwer bot ihnen Platz auf einem der schweren Sofas an, die die Wände säumten. Es gab vier Sofas und eine Schrankwand, Eiche, in der ein großer Fernseher, drei Puppen mit Rüschenröcken und eine venezianische Gondel untergebracht waren. Der Fernseher lief, und Laura dachte, dass das Leben manchmal einem Witzfilm ähnelte, dass in bestimmten Augenblicken alle Klischees gleichzeitig zutrafen und es enorme Anstrengung kostete, zu differenzieren.
    Ronald wechselte einen stirnrunzelnden Blick mit ihr, sie hob kurz die Augenbrauen. Es war gut, ihn neben sich zu wissen. Gemeinsam hatten sie es schon einmal geschafft, eine türkische Tragödie abzuwenden. Allein hätte sie keine Chance gegen diese männliche Übermacht, das war Laura klar.
    Es ging auch sofort zur Sache. Einer der Männer, den Laura noch nie gesehen hatte, eröffnete die Verhandlungen, ohne darauf zu warten, dass sie und Ronald eine Tasse in der Hand hielten. Das war eine Unhöflichkeit, die gleich mit einem Angriff verbunden wurde.
    «Sie müssen Ülivia Özmer herausgeben! Was Sie da machen, ist Freiheitsberaubung!» Er sagte es in sehr gutem Deutsch. Laura schätzte ihn auf Anfang vierzig. Sein Schnurrbart war frisch gestutzt, und er wirkte sehr professionell.
    «Sind Sie Rechtsanwalt?», fragte sie freundlich.
    Er sah nicht sie an, sondern Ronald, tat so, als hätte er Lauras Frage nicht gehört.
    «Keine Freiheitsberaubung», erwiderte Ronald. «Sie ist freiwillig bei uns. Aber hier in dieser Wohnung hat ein Fall schwerer Körperverletzung stattgefunden. Nun sind Sie dran!»
    «Ehre kaputt», stöhnte Ibrahim Özmer, der in der Ecke eines der großen Sofas saß, das Gesicht in beiden Händen vergraben. Er begann am Kragen seines Hemds zu ziehen, zerrte und riss, bis sich ein Stoffstreifen löste.
    Jetzt fängt das wieder an, dachte Laura, schaute unauffällig auf ihre Uhr. Beinahe neun. Es würde dauern.
    «Was hat Ülivia gemacht, dass Ihre Ehre kaputt ist?», fragte sie.
    Özmer zerrte heftiger an seinem Hemd. «Ich nicht sagen! Sonst noch schlimmer», jammerte er.
    Der vermeintliche Rechtsanwalt übernahm wieder. «Es geht hier um einen Ehevertrag, der eingehalten werden muss», sagte er.
    «Sehen Sie, da liegt das Problem!» Ronald zog seine Pfeife aus der Jackentasche und begann sie zu stopfen. Alle starrten auf die Pfeife. Ronald ließ sich Zeit, klemmte das Ding endlich in seinen Mundwinkel und zündete den Tabak an. Noch immer starrten alle. «Das Problem ist», Ronald sprach zwischen zusammengebissenen Zähnen, die den Pfeifenstiel hielten. «Das Problem ist», wiederholte er, «dass wir hier zwei verschiedene Rechtsauffassungen haben. In Deutschland gibt es keine Eheverträge wie in der Türkei. Solange Ülivia hier lebt, hat sie also zumindest theoretisch das Recht zu heiraten, wen sie will.»
    «Wenn wollen heiraten kurdisch Mann, ich umbringen», rief der alte Özmer dramatisch aus und riss sich das halbe Hemd vom Leib. Ein mehrstimmiges Aufschluchzen kam vom Flur her, wo die Frauen lauschten.
    «Wen wollen Sie umbringen, Herr Özmer?», fragte Laura. «Sich selbst, Ülivia oder den Kurden?»
    Er antwortete nicht, sondern sah sie aus leidenden Augen an, als wäre er misshandelt worden, und stürzte sich in die Arme seines Sohnes, der neben ihm saß.
    So ging es immer weiter. Eine Stunde lang, zwei Stunden. Der Fernseher lief im Hintergrund, zeigte

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