Die Loewin von Mogador
und einem Stapel Handtücher. In der Raummitte
befand sich ein Sitzpult mit ein paar Stühlen. Als Emily eintrat, saß Sabri am
Tisch und las. Hinter ihm an der Wand hingen sein englisches Diplom und daneben
eine Photographie, die ihn und Thomas in europäischen Arztkitteln vor dem
Charing Cross Hospital in London zeigte.
„As-salmu alaikum, Miss Hopkins!“, begrüßte
er Emily. „Wie geht es Ihnen?“
„Wa-alaikum salam, Doktor bin Abdul!“ Sie
strahlte und stellte ihren Korb vor ihn auf den Tisch. „Ich hoffe, Sie sind
hungrig. Unser Koch hat gefüllte Auberginen mit Harissa zubereitet. Und zum
Dessert habe ich Ihnen frische Feigen mitgebracht.“
„Wunderbar!“ Er lächelte sie an, klappte das
Buch zu und schob es beiseite. Seine dunklen Augen blitzten hinter der runden
Brille, die er zum Lesen trug oder wenn er Patienten behandelte. Dazu war er in
der traditionellen orientalischen Arzttracht gekleidet: Eine weiße Hose, ein langes
weißes Hemd, darüber eine schwarze Weste und auf dem Kopf einen weißen Turban.
Emily breitete eine Serviette auf der
Tischplatte aus und legte Geschirr und Besteck darauf. Dann wollte sie den in
ein Tuch gewickelten Tontopf mit dem spitz zulaufenden Deckel herausheben, aber
Sabri kam ihr zuvor. „Lassen Sie mich das machen, Miss Hopkins.“
„Gern, aber es ist heiß.“
Sein Arm berührte ihre Schulter, als er sich
vorbeugte. Sie genoss die kurze Berührung und drückte sich sogar ein wenig
fester gegen ihn. Er drehte den Kopf und lächelte. „Sie essen doch mit mir,
Miss Hopkins?“
„Ich habe schon mit Mutter zu Mittag
gegessen. Hätte ich gewusst, dass Sie mich einladen wollen, hätte ich natürlich
gewartet, aber…“ sie zögerte, wandte sich wieder dem Korb zu und kramte darin.
„…ich habe Ihnen noch etwas mitgebracht, Doktor.“ Sie wandte sich um und
streckte ihm ein zusammengerolltes Papier entgegen.
Er rollte es auf und betrachtete es lange.
Emily beobachtete ihn nervös. „Gefällt es
Ihnen nicht? Ist es nicht gut geworden?“ Sie hatte ihm eine Zeichnung
geschenkt, die ihn zeigte, wie er auf dem Hof des Maristan stand und Patienten
seiner Armensprechstunde behandelte.
„Doch.“ Sabri nickte langsam. „Es ist sogar
sehr gut. Und ich habe gar nichts davon gemerkt. Was halten Sie davon, wenn ich
es hier neben dem Diplom aufhänge?“ Er hielt das Papier an die Wand.
„Das passt sehr gut“, erwiderte sie erfreut.
Er räusperte sich. „Hätten Sie etwas dagegen,
mich Sabri zu nennen? Natürlich nur, wenn niemand dabei ist.“
Sie strahlte. „Sehr gern, Doktor bin… äh
…Sabri! Aber dann müssen Sie mich Emily nennen.“
„Wenn wir in London wären, würde ich Sie zum
Dank für dieses Bild zum Essen ausführen. Es gibt phantastische Restaurants in
London“, sagte er, und seine Stimme klang ein wenig rauh.
„Ich würde Sie gern begleiten, Sabri“,
erwiderte Emily leise.
Ermutigt fuhr er fort: „Restaurants gibt es
hier leider nicht, aber was halten Sie davon, wenn ich…“
„Bekomme ich mein Essen erst, wenn es kalt
ist?“ Thomas steckte den Kopf zur Tür herein. „Fatma hat mir gesagt, dass du
hier steckst.“
„Thomas! Ich wollte gerade zu dir! Aber
Doktor bin Abdul hat gleich Sprechstunde. Deshalb bin ich zuerst zu ihm
gegangen. Außerdem wollte ich ihn fragen, ob er etwas dagegen hat, wenn ich
seine Patienten zeichne, nicht wahr, Doktor?“
Emily drehte sich zu Sabri und zwinkerte ihm
zu. Thomas zog überrascht die Augenbrauen empor.
„Übst du für London, Emily?“, erkundigte er
sich. Zu Sabri gewandt fügte er hinzu: „Hat sie dir schon erzählt, dass sie
einen Platz an der Royal Academy of Arts bekommen hat? Im Herbst ist es so
weit.“
Sabri schüttelte langsam den Kopf. „Das
wusste ich noch nicht. Meinen herzlichen Glückwunsch, Miss Hopkins!“
„Danke.“ Emily klang bedrückt. Sie war so
stolz gewesen, als der Brief eingetroffen war, der ihre Aufnahme an der
ehrwürdigen Institution bestätigt hatte. Sie freute sich immer noch, aber
gleichzeitig wurde ihr das Herz bei dem Gedanken schwer, bald für lange Zeit
sehr weit weg von Sabri zu sein. Sie nahm den Korb und ging zur Tür. „Auf Wiedersehen,
Doktor bin Abdul.“
In Thomas‘ Sprechzimmer sah es fast so aus
wie bei Sabri, nur dass neben dem Diplom ein Foto hing, das ihn mit Talar und
Doktorhut inmitten seiner Londoner Verwandten zeigte. Der erste Blick der
Besucher fiel allerdings unweigerlich auf Johns Examensgeschenk, ein
menschliches
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