Die Loewin von Mogador
halben Wade fiel. Darunter sah
Sibylla eine Hose aus demselben feinen Stoff und mit Perlen bestickte
Pantoffeln. Arme, Hals und Ohren waren mit auffallend schönem Goldschmuck
behängt. Die anderen Frauen waren weit jünger. Auch sie trugen Kaftane und
Hosen in allen Farben des Regenbogens und üppigen Schmuck. Manche von ihnen
hatten ihr Haar mit einem durchsichtigen Schal bedeckt, doch den meisten fiel
es dunkel und glänzend bis zu den Hüften. Ein Dutzend aufgeregt schnatternder
Kinder sprang um die Gruppe herum. Nur die Kleinsten wurden von ihren Ammen
getragen.
Die alte Dame trat vor und sprach eine
Begrüßung, die Nadira übersetzte: „El Sayyida Rusa Umm Hash Hash, die Herrin
Rusa, Mutter seiner Exzellenz des Kaids Hash Hash, heißt die ehrwürdige Dame
aus dem Land der Engliz willkommen.“
Sibylla verneigte sich höflich und nannte
ihren Namen. Danach wurde sie von der Hauptfrau des Kaids begrüßt.
„Prinzessin Lalla Jasira stammt aus der
Familie des Sultans, Allah schenke ihm ein langes Leben“, sagte Nadira.
Nach der Hauptfrau, die in Sibyllas Alter
sein mochte, kamen die drei Nebenfrauen, die alle sehr jung und hübsch waren.
Die Vierte und Jüngste von ihnen war hochschwanger und hatte die Hände stolz um
ihren kugelrunden Bauch gefaltet. Auch die Konkubinen des Kaids wurden Sibylla
vorgestellt.
„Sie stammen aus Abessinien, wo die Frauen
als besonders schön gelten, und sind christliche Sklavinnen“, erklärte Nadira.
Die Konkubinen waren tatsächlich auffallende
Schönheiten. Mit ihren sanften braunen Augen und zarten Gliedmaßen erinnerten
sie Sibylla an Gazellen.
Nachdem die Begrüßung vorbei war, hielt Rusa
eine kleine Rede und lächelte Sibylla dabei aufmunternd zu.
„El Sayyida Rusa und die anderen Damen haben
gehört, dass ihr hochverehrter Gast aus dem Land der Engliz Haare hat, deren
Farbe dem Fell einer Wüstenlöwin gleichen. Sie bitten ihren Gast, ihren Hut
abzunehmen, damit sie sich selbst davon überzeugen können“, übersetzte Nadira
und blickte ein wenig verlegen zu ihrer Herrin.
Sibylla staunte, dass ihre Haarfarbe sich
sogar bis hinter die Haremsmauern herumgesprochen hatte.
Es ist ein harmloser Wunsch, und es wäre
unhöflich, ihn abzuschlagen, dachte sie, löste die Schleife unter ihrem Kinn
und nahm den Hut ab. Sofort ertönten von allen Seiten laute Rufe. Einige Frauen
kicherten, andere schlugen sich mit der Hand auf den Mund, die Kinder kreischten
von der Aufregung angesteckt.
„Sie sagen, dass sie noch nie goldene Haare
gesehen haben“, rief Nadira gegen den Lärm. „Sie glauben, dass Sie ein Engel
Allahs sein müssen.“
Sibylla schüttelte energisch den Kopf. „Sag
ihnen, dass in meiner Heimat viele Menschen solche Haare haben.“
Ungläubiges Gemurmel wurde laut. Rusa
verschaffte sich mit einiger Mühe Ruhe.
„Die ehrwürdige Sayyida Rusa fragt, ob Sie
Ihr Haar öffnen würden“, gab Nadira weiter.
„Nun gut.“ Sibylla zog die Nadeln aus ihrer
Frisur, so dass das Haar offen über ihre Schultern fiel. Ein andächtiges Raunen
ging durch die Frauengruppe. Eine fragte, ob die Locken aus Gold gesponnen
wären. Eine andere wollte wissen, ob sie mit der Zauberkraft ihres Haares einen
Mann gefügig machen könnte.
Sibylla lachte, als Nadira übersetzt hatte.
„Sag ihnen, dass in den Ländern des Nordens auch Männer solche Haare haben und
niemand über mehr Kraft verfügt, als Gott ihm geschenkt hat.“ Darauf bedeutete
sie der Frau, die die Frage gestellt hatte, näher zu kommen und ihr Haar
anzufassen. Fast schüchtern strich die Frau darüber und verkündete dann stolz:
„Dieses Haar ist Menschenhaar, nur seine Farbe gleicht Gold.“
„Oder dem Fell einer Löwin", ergänzte
eine andere. Allmählich beruhigten sich die Frauen, und Sibylla konnte ihre
Geschenke überreichen.
Danach nahmen sie im Garten des Harems
Erfrischungen ein. Mit seinen Blütendüften, Wasserspielen und dem
Vogelgezwitscher erschien er Sibylla paradiesisch. Sie lagerte mit den Frauen
auf Brokatkissen an einem rechteckigen Bassin, in dem bunte Zierfische
schwammen. Rusa, Lalla Jasira und die anderen drängten sie köstliche Pfirsiche
und Melonenstückchen, Rosinen und kandierte Blüten zu probieren. Eine Dienerin
hielt einen Sonnenschirm über Sibyllas Kopf, eine andere wedelte ihr mit einem
Fächer Luft zu.
Unruhe kehrte erst ein, als die Frauen
erfuhren, dass Sibylla schon vierundzwanzig Jahre alt war und noch kein Baby
hatte. Eine schockierende Nachricht!
„Pilgern
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