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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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einen funkelnden Kontrast
zu ihrer ebenholzdunklen Haut bildeten.
    „Danke, Nadira“, sagte Sibylla, als die
Dienerin ihr das dampfende Glas reichte. Der morgendliche Minztee im Bett war
eine feste Gewohnheit geworden, seit sie gemerkt hatte, wie gut er gegen die
Schwangerschaftsübelkeit half. Benjamin mochte das stark gesüßte Getränk nicht.
Aber von Mr. Fisher waren noch einige Pakete feinsten indischen Darjeelingtees
da, den er für sich reserviert hatte.
    Die Dienerin verbeugte sich und verließ das
Zimmer, um den Frühstückstisch zu decken. Sara Willshire hatte Sibylla erzählt,
dass Nadira ihr genaues Alter nicht kannte, aber wenn Sibylla ihr glattes
Gesicht und ihre raschen Bewegungen betrachtete, schätzte sie, dass sie nur
wenig älter war als sie selbst. Firyal, die andere Dienerin, war etwas jünger
als Sibylla.
    „Ich wundere mich, dass ich ebenfalls heute
zum Antrittsbesuch in den Palast gebeten wurde“, äußerte sie in Richtung des Wandschirms.
„Schließlich hat Kaid Hash Hash mich bei der Ankunft völlig ignoriert, und ich
kann mir nicht vorstellen, dass er seine Haltung geändert hat.“
    „Vielleicht will er seine Unhöflichkeit dir
gegenüber wiedergutmachen.“ Benjamin trat hinter der Trennwand hervor. Er war
frisch rasiert, hatte seinen besten Frack und eine weinrote Krawatte angelegt.
    „Du siehst elegant aus“, bemerkte Sibylla
anerkennend.
    „Ich weiß auch, was sich gehört, im Gegensatz
zu diesem Mauren, der uns am heiligen Sonntag einbestellt, um über Geschäfte zu
sprechen.“
    „Hier ist der Sonntag nun mal ein Arbeitstag.
Dafür ist der Freitag heilig“, entgegnete Sibylla gleichmütig.
    „Und der Samstag, weil dann die Juden ihren
Sabbat feiern. Kein Wunder, dass die Wirtschaft dieses Landes am Boden liegt!“
Benjamin verschwand durch die Tür.
    Sibylla blickte ihm besorgt nach. Seit sie in
Mogador angekommen waren, ließ Benjamin sie seine Unzufriedenheit spüren, als
wäre es ihre Schuld, dass das Leben sich hier anders gestaltete, als er
erwartet hatte. Außerdem nahm er ihr immer noch übel, dass sie ihm ihre
Schwangerschaft so lange verheimlicht hatte.
    Seit sie in England an Bord der Queen
Charlotte gegangen waren, hatten sie keine intimen Berührungen mehr
ausgetauscht. Aber Sibylla sehnte sich nach Zärtlichkeiten, sogar, wenn sie so
karg und ungeschickt ausfielen wie bei Benjamin, und es kränkte sie, dass er
sie zurückwies, wenn sie ihn küssen oder berühren wollte.
    Schon ihre Hochzeitsnacht war enttäuschend
nüchtern verlaufen. Benjamin hatte sich auf sie gelegt, ohne sie vorher zu
küssen oder zu streicheln. Er hatte ihr Nachthemd nur so weit hochgeschoben wie
nötig, um in sie einzudringen. Der Vorgang selbst war hastig verlaufen, hatte
ihr wehgetan und sie mit dem Gefühl zurückgelassen, dass nun etwas unaussprechlich
Peinliches zwischen ihnen stand. Benjamin hatte sich danach in seine Decke
gewickelt, ihr den Rücken zugedreht und war bald darauf eingeschlafen. Sie
jedoch hatte noch lange wach gelegen und sich gefragt, ob er eigentlich eine
Frau oder ein Stück Holz in ihr sah.
    In den Geschichten aus 1001 Nacht hatte sie
ebenso aufregende wie rätselhafte Beschreibungen von Liebesnächten gelesen. Von
Jungfrauen war die Rede, mit Brüsten wie Granatäpfel und einem flauschigen
Kaninchenfell zwischen den Beinen. Von zärtlichen Bissen und Küssen, von
ausschweifenden Orgien mit Dutzenden von Sklaven, denen die Gemahlinnen
mächtiger Herrscher sich hingaben, kaum, dass diese ihnen den Rücken zudrehten.
Sie hatte das Buch unter ihrem Kopfkissen versteckt und las heimlich darin, und
manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie im Dunkel lag und ihren sich
rundenden Bauch und ihre schwellenden Brüste streichelte, während ihr Mann in
Mr. Fishers schmalem Bett leise schnarchte.
     
    Zum Frühstück gab es warme Weizenfladen mit
Sirup, frische Orangen, Datteln und etwas, das Nadira „Laban“ nannte und das
aus mit Zucker bestreuter Ziegenmilch bestand. Sibylla fand die süß und
säuerlich zugleich schmeckende Speise köstlich. Benjamin dagegen hatte das
Gesicht verzogen, gemurmelt, dass es kein Wunder wäre, dass Mr. Fisher schon
nach so kurzer Zeit starb und weiter seinen mitgebrachten Schweineschinken zum
Fladenbrot bevorzugt.
    „Ich fühle mich völlig abgeschnitten vom Rest
der Welt“, klagte er, als Sibylla das Frühstückszimmer betrat. „Die
Tageszeitungen sind immer noch nicht aus England eingetroffen, die Sprache ist
mir ein Rätsel und

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