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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Sie zum Grab Sidi Magdouls vor den
Toren der Stadt“, riet ihr Hash Hashs Lieblingskonkubine Wahida. „Der Heilige
verhilft Ihnen zu vielen Kindern, so wie Allah dem Propheten Ibrahim und seiner
Frau Sara im hohen Alter noch Kinder geschenkt hat!“
    „Sidi Magdouls Beistand brauche ich nicht
mehr“, versicherte Sibylla lachend und zog ihr Kleid glatt, so dass die Frauen
ihren gewölbten Bauch sehen konnten. Sie jubelten und überschütteten sie mit
Ratschlägen für eine glückliche Schwangerschaft und Geburt. Die vierte Ehefrau
wollte ihr ihre Hebamme schicken, und die dritte schenkte ihr ein Amulett, eine
kleine silberne Hand mit einem eingravierten Auge. „Tragen Sie es über dem
Herzen“, sagte sie zu Sibylla. „Dann wird die Hand der Fatima das Ungeborene
vor dem bösen Blick schützen.“
    Rusa stand als Älteste und Mutter des Kaids
an erster Stelle des Harems und wurde von allen Frauen hoch geachtet. An
zweiter Stelle kam Lalla Jasira, die ihrem Namen „die Sanfte“ alle Ehre machte.
Nach ihr folgten die zweite, dritte und vierte Frau und dann erst die
Konkubinen. Wahida, als Lieblingskonkubine des Kaids, nahm eine Sonderstellung
ein und durfte, weil sie ihrem Herrn bereits zwei Söhne geboren hatte, den
Titel „Umm Walad“, Mutter ihrer Kinder, führen.
    Rusa hatte sich den Schal, den Sibylla ihr
geschenkt hatte, um die Schultern gelegt. Sie saß nicht auf einem Kissen,
sondern thronte in einem Sessel zur Linken des Gastes. Lalla Jasira hatte auf
einem dicken runden Polster an Sibyllas anderer Seite Platz genommen. Nadira
stand hinter ihrer Herrin bereit, um zu übersetzen. Rusa klatschte in die Hände.
Eine Sklavin näherte sich mit einer Schale Gebäck, von dem Rusa kleine Stücke
abbrach und den Fischen zuwarf. Sibylla fielen ihre anmutigen Bewegungen und
ihre weichen gepflegten Hände auf.
    „Die Frauen des Kaids sind wie diese Fische“,
sagte Rusa zu ihr. „Sie leben zusammen in einem wunderschönen Haus und werden
von einem guten Herrn liebevoll versorgt. Es mangelt uns an nichts.“
    „Das stimmt gewiss“, erwiderte Sibylla. „Aber
fehlt den Fischen in diesem Becken nicht der Blick auf das freie Meer?“
    Gleich darauf hätte sie sich ohrfeigen mögen.
Jetzt hatte sie ihre reizenden Gastgeberinnen brüskiert. Wann lerne ich
endlich, dass Schweigen seliger ist als Reden, dachte sie ärgerlich.
    Aber Rusa lächelte nur, und Lalla Jasira
bemerkte: „Man muss nicht auf einen Berggipfel steigen, um in die Ferne sehen
zu können. Wenn wir es wünschen, kommt die Welt zu uns in den Palast. Von Ihnen
zum Beispiel erfahren wir, wie die Frauen im fernen England leben, ohne selbst
dorthin reisen zu müssen.“
    Ihre dunklen Augen glitten über Sibyllas
helles Haar, das europäisch geschnittene Kleid und blieben an den dünnen
Seidenstrümpfen und flachen Satinslippern hängen.
    „Diese Babuschen“, sagte Lalla Jasira, „sehen
sehr hübsch aus. Tragen alle Frauen in Ihrem Land so etwas?“
    Nadira übersetzte, und Sibylla nickte
lächelnd. „Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen ein Paar schenken. Ich werde
gleich heute Abend einen Brief schreiben und aus England eine Lieferung für Sie
und die anderen Damen schicken lassen.“
    Rusa und Lalla Jasira wechselten einen
raschen Blick und baten, sich die Schuhe genauer besehen zu dürfen. Sibylla zog
einen aus und reichte ihn der alten Dame. Mit Lalla Jasira prüfte sie die
Verarbeitung des Slippers. Ein rascher Wortwechsel entspann sich zwischen den
beiden Frauen, dann setzte Rusa sich in ihrem Sessel auf und richtete das Wort
an Sibylla.
    „El Sayyida Rusa und Prinzessin Lalla Jasira
möchten der verehrten Engliziya Mrs. Hopkins ein Geschäft vorschlagen“,
übersetzte Nadira. „Sie wollen fünfhundert Paar der englischen Babuschen
bestellen. Dafür bieten Sie Ihnen dreißig Gold-Benduqui.“
    „Diese Frauen dürfen Handel treiben? Besitzen
sie denn eigenes Geld?“, entfuhr es Sibylla überrascht.
    Rusa wollte wissen, was Sibylla gefragt
hatte, und nachdem Nadira übersetzt hatte, ließ sie die Dienerin antworten:
„Der Prophet in seiner unendlichen Weisheit hat den Frauen ihr eigenes Vermögen
und die Erlaubnis zugesichert, es selbst zu verwalten. El Sayyida Rusa und die
vier Ehefrauen seiner Exzellenz verfügen frei über ihr Brautgeld. Außerdem zahlt
seine Exzellenz jeder Dame seines Harems einen Falus am Tag.“
    „Hat denn die verehrte Mrs. Hopkins kein
Brautgeld zu ihrer persönlichen Verfügung?“, erkundigte Lalla Jasira

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