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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Arm.
    Sie wollte gerade gehen, als ihr siedend heiß
einfiel, dass die Jungen aufwachen könnten, weil sie wieder Bauchweh hatten.
Sie würden nach ihrer Mutter rufen, aber die war nicht da, weil sie
leichtfertig ihrem Vergnügen nachjagte! Benjamin würde ebenfalls aufwachen, und
dann würde er entdecken, dass sie mitten in der Nacht aus dem Haus verschwunden
war.
    Wie konnte sie nur so eine Rabenmutter sein!
Ihre Ehe mochte das Papier der Heiratsurkunde nicht wert sein, aber ihre Kinder
bedeuteten ihr alles!
    Nein,
sie konnte nicht gehen. Sie musste auf ihr eigenes kurzes kleines Glück mit
André Rouston verzichten, auch wenn es sie noch so sehr schmerzte.

Kapitel zwölf - Mogador im Januar 1840
     
    „Sollte ein voll beladenes Frachtschiff nicht
tiefer im Wasser liegen, Philipps?“ Kaid Hash Hash betrachtete mit gerunzelter
Stirn das Heck der Queen Charlotte.
    Der Hafenmeister blickte ebenfalls zu dem
großen Segelschiff, das gerade langsam durch die schmale Hafenein- und
-ausfahrt manövrierte, und nickte nachdenklich. „Ich stimme Ihnen zu,
Exzellenz, ein voll beladenes Schiff liegt gewöhnlich tiefer im Wasser.“
    „Besteht die Gefahr, dass sie auf Grund
läuft, wenn sie die gesamte Fracht aufnimmt, die sie fassen kann?“ Der Kaid
wusste nur zu gut, dass das Hafenbecken versandet war und dringend ausgebaggert
werden musste. Doch bei Allah, wer sollte die Kosten für solch ein Unternehmen
tragen? Der Sultan hatte bereits signalisiert, dass er keinen Dirham erübrigen
konnte. Blieb noch die Kaufmannschaft. Aber diese bestand ausschließlich aus
Geizhälsen, die auf ihrem Geld saßen wie das Huhn auf seinen Eiern!
    „Bei Ebbe könnte es sein, dass sie auf Grund
läuft, jetzt haben wir jedoch Flut. Da bleibt ihr genug Wasser unter dem Kiel“,
antwortete Philipps.
    „Vielleicht liegt es an der Fracht?“,
forschte der Statthalter weiter. „Straußenfedern sind leicht,
Elefantenstoßzähne nehmen eine Menge Platz weg. Das würde den mangelnden
Tiefgang bei voller Ladung ebenfalls erklären.“
    Doch der Hafenmeister schüttelte den Kopf:
„Sie hat hauptsächlich Leder und Fässer mit Palmöl an Bord, dazu noch ein paar
Kisten mit Gewürzen.“
    „Hm.“ Der Kaid rieb sich unzufrieden den
schwarzen Kinnbart. „Zielhafen?“
    „Baltimore, Exzellenz, in den Vereinigten
Staaten.“
    „Wissen Sie das genau?“ Die schwarzen
Raubvogelaugen richteten sich auf den Hafenmeister.
    „Gewiss, Exzellenz. Wieso fragen Sie? Ist
etwas nicht in Ordnung?“ Philipps spürte, wie ihm trotz der frischen
Dezemberbrise der Schweiß ausbrach. Blitzschnell überlegte er, ob ihm irgendein
Fehler bei der Abfertigung der Queen Charlotte unterlaufen sein könnte. Kaid
Hash Hash verstand diesbezüglich keinen Spaß. Schon manch einer hatte sich bei
dem bloßen Verdacht des Statthalters, dass ihm Zölle oder Steuern entgangen
sein könnten, in den Festungsverliesen wiedergefunden.
    Der Kaid winkte den schwarzen Jungen heran,
der seine Wasserpfeife hinter ihm hertrug, führte den Schlauch zum Mund und
nahm einen tiefen Zug. Während er den Rauch langsam zwischen den Lippen
hervorblies, blickte er erneut zu dem mächtigen Westindiensegler. Der Wind trug
Pfiffe und gebrüllte Kommandofetzen an sein Ohr. Matrosen kletterten in die
Takelage und rannten an Deck hin und her.
    „Sie nimmt Kurs nach Süden“, hatte sein Spitzel
ihm versichert, nachdem er sich den ersten Maat der Queen Charlotte vorgenommen
hatte. Der Statthalter kräuselte verächtlich den Mund, wenn er daran dachte,
wie bereitwillig der Mann bei der Aussicht auf ein paar Löffel geschmolzenen
Bleis im Magen geredet hatte. Wohin auch immer die Queen Charlotte segelte,
Baltimore war es nicht. Kap Juby im äußersten Süden Marokkos hatte der vor
Angst schlotternde Maat behauptet. Und er hatte eine weitere interessante
Neuigkeit ausgeplaudert: Der Zimmermann der Queen Charlotte hatte Befehl
erhalten, zwei Zwischendecks einzuziehen, sobald sie das offene Meer erreicht
hätten.
    Hash Hash schnippte mit dem Finger, woraufhin
der Junge ihm eilig den Schlauch der Shisha abnahm. „Philipps!“
    Der Hafenmeister fuhr zusammen: „Exzellenz?“
    „Warum segelt ein Schiff südwärts, wenn es
eigentlich nach Westen segeln sollte?“
    Der Hafenmeister zog die Stirn kraus. „Das
kann am Wind liegen oder an der Meeresströmung, aber nicht hier in Mogador,
Exzellenz, von hier segeln die Schiffe direkt westwärts. Also nimmt es
vielleicht in einem anderen Hafen Fracht auf, bevor es

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