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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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nach ihrer Hand.
    Sibylla dachte an ihren Großvater, der mit
dem Sklavenhandel beträchtlichen Reichtum angehäuft hatte, auch wenn ihr Vater
das nur ungern zugab, seit der Handel mit Menschen verboten war. „Gott schenkt
ihnen die Umkehr, damit sie die Wahrheit erkennen, so heißt es doch in der
Bibel, nicht wahr?“, sagte sie und drückte Andrés Hand.
    „Ich würde meinen rechten Arm geben, wenn ich
diese Zeit ungeschehen machen könnte“, beteuerte er. „Als wir nach einem Jahr
wieder in La Rochelle anlegten, bin ich von Bord geflohen. Ich ließ mir nicht
einmal meine Heuer auszahlen.“
    „Und was hast du dann gemacht?“
    „Nun, ich hatte genau drei Möglichkeiten: Eine
Karriere als Hafengangster, mich als Knecht bei meinem Bruder zu verdingen oder
zum Militär zu gehen. Ich entschied mich für das Militär, und das war gut für
mich. Zum ersten Mal im Leben traf ich Menschen, die mich nicht für einen
Taugenichts hielten. Nach und nach stieg ich sogar in die höheren
Offiziersränge auf, die sonst dem Adel vorbehalten sind. 1830 wurde ich nach
Algerien versetzt und kämpfte dort gegen Abd el Kader. Nachdem ich meinen
Abschied genommen hatte, ging ich nach Marokko, und hier…“
    „… haben sich unsere Wege gekreuzt“, schloss
Sibylla leise. „Es ist spät geworden, André, ich muss gehen.“
    Er stand auf. „Ich begleite dich.“
    Während er den Teppich zusammenrollte und
schulterte, packte sie die leere Weinflasche und die Reste ihres Picknicks in
den Korb.
    „Ich wünschte, wir müssten uns jetzt nicht
trennen!“, seufzte sie, als sie an der Kirchentür standen.
    „Willst du mich hier wieder treffen?“, fragte
er mit klopfendem Herzen.
    Sie schlang den Schal um ihren Kopf, so dass
ihr Haar ganz darunter verborgen war. „Gewiss möchte ich das. Aber wir können
uns nicht immer heimlich in dieser alten Ruine treffen.“
    „Eine andere Möglichkeit gibt es im Moment
nicht“, erwiderte André ernst. Er breitete seine Arme aus und zog sie an seine
Brust. „Lass uns unsere Zukunft in die Hände des Schicksals legen! Inschallah,
wie die Araber sagen.“
    Sie blickte ihn an und nickte feierlich.
„Inschallah. So Gott will.“

Kapitel
dreizehn
     
    „Weg da, du Nichtsnutz, was hast du vor
meinem Haus verloren!?“ Benjamin trieb seinen Hengst direkt auf den Bettler zu,
der vor der Mauer kauerte. Mit einem erschrockenen Ausruf hechtete der Mann zur
Seite.
    Benjamin lachte nur und ließ seine Reitgerte
durch die Luft zischen. „Sieh an, du bist ja noch ganz fix!“
    Der Mann duckte sich gegen die Wand und zog
die Kapuze seines mottenzerfressenen Umhangs vors Gesicht.
    „Na, ich will mal nicht so sein, habe in Fès
und Marrakesch gute Geschäfte gemacht.“ Er griff in seine Jackentasche, warf
dem Bettler eine Handvoll Kupfermünzen hin und beobachtete kopfschüttelnd, wie
der Mann die Münzen aus dem Staub kratzte.
    „So seid ihr Muselmänner: Eine Bande fauler
Tagediebe. Geht lieber betteln als arbeiten!“
    Er schwang ein Bein über den Rücken seines
Pferdes, rutschte aus dem Sattel und warf dem schwarzen Diener, der ihn während
der Reise auf einem Maultier begleitet hatte, die Zügel zu. „Bring die Tiere in
den Stall, und versorg sie gut! Pack dem Hengst eine Decke auf, damit er sich
nicht erkältet. Wenn du es vergisst, ziehe ich dich persönlich zur
Verantwortung!“
    „Sehr wohl, Herr“, erwiderte der Schwarze
gehorsam. Dann wendete er die Tiere und ritt davon.
    Benjamin verschwand fröhlich vor sich
hinpfeifend im Haus. Den Bettler hatte er bereits vergessen. Hätte er sich noch
einmal umgedreht, hätte er gesehen, wie der Mann verächtlich hinter ihm
ausspuckte, sich umwandte und erstaunlich behände in der Gasse verschwand.
Wenige Minuten später stand er vor den Mauern des Statthalterpalastes. Er
blickte sich prüfend nach beiden Seiten um, bevor er an eine schmale Seitentür
pochte, die sich sofort einen Spalt öffnete.
    „Zum Kaid, rasch!“, befahl er dem Sklaven,
der ihn eingelassen hatte. „Seine Exzellenz erwartet mich!“
     
    „Papa, Papa! Was hast du uns mitgebracht?“
Seine zwei kleinen Jungen rannten über den Hof des Riads und umarmten ihren Vater
stürmisch. Benjamin lachte, beugte sich hinunter und hob jeden mit einem Arm
hoch. „Fasst mal in meine Jackentaschen, ihr Zwerge!“
    Das ließen Tom und Johnny sich nicht noch
einmal sagen. Sie quietschten begeistert, als sie zwei kleine aus Holz geschnitzte
Pferdchen fanden: „Wie schön, Papa,

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