Die Loewin von Mogador
Stiefel und Handschuhe aus meinem Leder tragen,
wüssten, wie es bei der Gerbung riecht! Die Ausdünstungen der Hölle könnten
nicht schlimmer sein! Aber was soll’s – ich habe gute Geschäfte gemacht!“ Er
drehte sich zu Firyal. „Weißt du, was einen guten Kaufmann ausmacht?“
„Nein, Herr. Sie müssen den Kopf in den
Nacken legen, ich wasche die Seife jetzt aus.“
Benjamin beugte sich gehorsam nach hinten und
fuhr fort:
„Ein guter Kaufmann versteht es, die beste
Ware zum günstigsten Preis einzukaufen und zum besten Preis weiterzuverkaufen.
So habe ich schon meinen Schwiegervater von meinen Qualitäten überzeugt, und
ich- was war das?“ Benjamin fuhr so unvermittelt in der Wanne auf, dass Firyal
erschrak. „Hörst du das nicht? Was ist das für ein Lärm?“
„Doch, Herr. Es klingt, als versucht jemand,
das Tor einzutreten.“
Benjamin lauschte beunruhigt. Im unteren
Stockwerk polterte es, eine Tür fiel krachend ins Schloss, Männerstimmen
brüllten Befehle. Dazwischen hörte er Nadira und seine Kinder, piepsend und
aufgeschreckt.
„Verdammt, was ist hier eigentlich los?! Will
uns jemand überfallen?“ Benjamin stand hastig auf. Wasser tropfte aus seinen
Haaren und lief an seinem Körper herunter. „Los, gib mir ein Handtuch!“
Die Dienerin bückte sich ängstlich zu dem
Hocker mit den Handtüchern. Doch als schwere Schritte die Treppe emporstiegen,
erstarrte sie.
„Himmel, bist du schwer von Begriff?!“, fuhr
Benjamin auf und riss ihr das Handtuch weg.
Jetzt waren die Schritte auf dem Umgang, dann
flog die Tür auf und krachte gegen die Wand. Firyal schrie auf, Benjamin ließ
das Handtuch fallen und versuchte instinktiv, seine Blöße mit den Fingern zu
bedecken.
Kaum drei Meter von ihm entfernt stand ein
Schwarzer im roten Tarbusch, weißen Kaftan und mit dem Krummsäbel der
Sultansgarde. Seine kräftige Gestalt füllte den Türrahmen aus. Er musterte
Benjamin mit steinerner Miene.
„Benjamin Hopkins? Der Kaufmann?“, fragte er
in brüchigem Englisch.
„Genau der bin ich! Aber wer sind Sie, und
was fällt Ihnen ein, hier einzudringen? Ich werde mich beim Kaid persönlich
beschweren!“, gab Benjamin zurück, entschlossen, sich von dem Hünen nicht ins
Bockshorn jagen zu lassen.
Statt einer Antwort trat der Schwarze
beiseite. Hinter ihm tauchten zwei weitere Männer auf. Benjamin verschlug es
vor Verblüffung die Sprache, als er sie erkannte. Einer war der persönliche
Sekretär von Kaid Hash Hash, der andere sein Übersetzer Nuri bin Kalil. Der
Sekretär hielt eine Papierrolle in der Hand, die er nun dem Übersetzer reichte.
Bin Kalil verbeugte sich vor Benjamin. „Asalamu alaikum, Mr. Hopkins.“
„Bin Kalil!“, rief Benjamin. „Was soll diese
Komödie? Wie kommen diese Leute dazu, mich in meinen Privaträumen zu
überfallen? Noch dazu bewaffnet!“
Er stieg aus der Wanne und bückte sich nach
dem Handtuch, denn Firyal stand immer noch wie versteinert im Zimmer. Der
Gardist, der den Türrahmen blockierte, legte die Rechte auf den Griff seines
Krummsäbels. Benjamin zuckte zusammen, erklärte aber dennoch: „Pfeifen Sie die
Wachhunde zurück, bin Kalil! Sieht so die berühmte arabische Gastlichkeit aus?“
Der Übersetzer gab dem Soldaten ein Zeichen,
der sich daraufhin zwei Schritte zurückzog. Benjamin wickelte sich inzwischen
notdürftig in sein Handtuch.
Nuri bin Kalil rollte das Papier auseinander,
und ein prächtiges rotes Siegel am unteren Ende wurde sichtbar. „Mr. Benjamin
Hopkins, im Auftrag Seiner kaiserlichen Majestät Sultan Moulay Abd Er Rahmans,
Imam aller Gläubigen, Herrscher von Marrakesch, Fès und der Sous-Ebene, werden
Sie wegen Hochverrats und Betrugs verhaftet“, zitierte er in klarem Englisch.
„Die Verhaftung wird von Seiner Exzellenz Kaid Hash Hash durchgeführt. Bis ein
Urteil ergeht, werden Sie in der Bastion der Insel Mogador gefangen gesetzt.“
Benjamin lachte schallend. „Hochverrat?
Betrug? Machen Sie Witze, bin Kalil? Ich habe jetzt wirklich genug von diesem
Zirkus! Schert euch davon, alle! Ich werde den britischen Generalkonsul in
Tanger über diesen ganz und gar ungeheuerlichen Vorgang unterrichten. Seien Sie
gewiss, dass der Generalkonsul diesbezüglich eine formelle diplomatische Beschwerde
beim Sultan einreichen wird!“
Der Gardist knurrte etwas auf Arabisch, und
Nuri bin Kalil nickte ihm zu. Dann sah er Benjamin fest in die Augen.
„Ziehen Sie sich etwas an, Mr. Hopkins, und
kommen Sie mit! Wenn Sie Widerstand
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