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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sehnte sie Steifnacken und den Rest der Kompanie herbei, die derzeit mit verwirrenden Märschen Ugolino Malatesta und dessen Leute an der Nase herumzuführen suchten.
    Bianca begriff, welche Gefühle in Caterina tobten, auch wenn sie diese nicht teilen konnte. Sie war Italienerin und hatte am eigenen Leib erlebt, mit welcher Grausamkeit hier um die Herrschaft in einer Stadt oder auch nur einem Stadtviertel gekämpft wurde. Doch auch sie war froh, als die Angst- und Entsetzensschreie verebbten und der Wahn, der die rasenden Bürger erfasst hatte, allmählich wich. Nur einmal brach er noch durch, als eine Gruppe von Marktweibern und Fleischergesellen Umberto di Muozzola in einem Versteck entdeckten und ihn die Hauptstraße entlangtrieben. Immer wieder packten sie ihn, schlugen mit Fleischerbeilen und Messern auf ihn ein und hackten ihm, als er zu Boden sank, bei lebendigem Leib die Gliedmaßen ab.
    Caterina schüttelte es vor Ekel. In dieser Stadt würde sie keine Mahlzeit zu sich nehmen können, die mit Fleisch zubereitet worden war. Noch während sie mit ihrem Grauen kämpfte, gab es noch einmal einen Aufruhr. Aldobrando di Muozzola hatte sich ebenso wie sein Vater ein Versteck gesucht, doch als sich einige Leute dem Holzstapel näherten, unter dem er sich verborgen hatte, verlor er die Nerven, kroch heraus und lief schreiend die Straße entlang. Sofort hefteten sich ein, zwei Dutzend Verfolger an seine Fersen. In höchster Not rannte er auf Caterina und ihre Leute zu und schüttelte mit einer heftigen Bewegung die Arme ab, die nach ihm griffen. Er zwängte sich zwischen den Pferden hindurch, bis er vor Caterina stand, umklammerte schluchzend ihre Beine und flehte sie an, ihm das Leben zu retten.
    Caterina blickte mit brennenden Augen auf ihn hinab. Nichts erinnerte mehr an den arroganten Schnösel, den sie vor etlichen Wochen kennen gelernt hatte. Sein prachtvolles Gewand war zerrissen und verschmutzt, blutige Schrammen zogen sich über sein Gesicht und seine Hände zitterten wie Espenlaub. Mit einem kurzen Atemstoß wandte Caterina sich an seine Verfolger, die nicht recht wussten, ob sie sich durch den Kordon, den ihre Reiter um sie und den jungen Muozzola gezogen hatten, hindurchkämpfen sollten.
    »Dieser Mann ist mein Gefangener. Wer ihn anrührt, erregt meinen Zorn!« Es war der Entschluss eines Augenblicks und nicht gerade glücklich, wie Caterina an der Reaktion der Einheimischen erkennen konnte. Die Fleischergesellen, die Aldobrandos Vater erschlagen hatten, waren nämlich ebenfalls gekommen und drohten mit ihren Äxten und Messern.
    »Wir wollen den Kerl haben«, schrie ein schmales Bürschchen, das sich an der Macht berauschte, die ihm an diesem Abend in den Schoß gefallen war.
    »Legt ihr auch nur eine Hand an einen meiner Männer, wird es dieser Stadt so ergehen wie Cesena, nachdem John Hawkwood den Ort besucht hat!« Caterinas Stimme war laut genug, dass auch die Bewohner der umliegenden Häuser es hören konnten. Einige der Umstehenden zogen die Köpfe ein, sie kannten die Berichte über das Massaker, welches der englische Condottiere in der aufständischen Stadt angerichtet hatte und das grausamer gewesen war als alles, was Italien bis dorthin hatte erdulden müssen. Caterina konnte nur hoffen, dass die aufgeputschte Menge in der rasch aufsteigenden Nacht nicht erkennen konnte, wie schwach ihre Truppe war, und sich durch ihre Drohung in Schach halten ließ.
    Für einige Augenblicke herrschte eine fast schmerzhafte Anspannung. Dann schnaufte einer der vernünftigeren Bürger kurz durch und lachte dann auf. »Was wollen wir mit diesem Bengel? Er ist kein Einwohner unserer Stadt und damit auch niemand, dessen Rache wir zu fürchten hätten.« Ein paar stimmten ihm widerwillig zu, aber die Spannung löste sich erst, als einer den Vorschlag machte, ein paar weitere Häuser zu plündern. Die meisten folgten dem Mann johlend und hatten Aldobrando di Muozzola beim Anblick der ersten Geldstücke vergessen.
    Caterina spürte, wie knapp sie dem Verhängnis entgangen war, und begann zu zittern. Nie mehr, das schwor sie sich, würde sie sich auf ein so waghalsiges Unternehmen einlassen. Nach ein paar tiefen Atemzügen wandte sie sich an Friedel. »Glaubst du, wir können uns in der Stadt halten, bis Steifnacken mit dem Haupttrupp kommt?«
    Der Schwabe machte eine wegwerfende Handbewegung, die in der Dämmerung kaum zu erkennen war. »Es wäre ja noch schöner, wenn uns das nicht gelänge! Bis morgen früh werden

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