Die Löwin
näher, umringten Caterina und zupften an dem Saum ihres Kleides, als müssten sie sich überzeugen, dass kein Trugbild sie narrte. Erst als Friedel einen von ihnen nachdrücklicher aufforderte, Steifnacken zu holen, trollte sich der Mann. Dabei blickte er jedoch immer wieder über die Schulter zurück, stolperte über den Steinkreis einer Feuerstelle und raffte sich so bedächtig auf, als schlafwandele er.
Verwirrt ließ Caterina es geschehen, dass man ihr den Zügel aus der Hand nahm und sie unter vorsichtigen, ja beinahe noch ungläubig wirkenden Hochrufen ins Lager führte. Als Steifnacken nicht weit vor ihr aus seinem Zelt stürmte und mit grimmigem Gesicht auf sie zukam, zuckte sie im ersten Moment zusammen und griff unwillkürlich nach dem Dolch an ihrem Gürtel. Dann erkannte sie den Unteroffizier, der ihren Vater bei seinen Besuchen nach Eldenberg begleitet hatte, und lächelte erleichtert. Er aber blieb vor ihr stehen, stemmte die Hände in die Seiten und musterte sie ungläubig. Sie wollte ihn schon fragen, ob sie derart ungelegen käme, dass er sie mit seiner bösen Miene vertreiben wolle. In dem Moment glätteten sich seine Gesichtszüge, und er wischte sich über die Wangen, ehe die Tränen in seinem Bart versickern konnten. Dann streckte er die Arme aus, um ihr aus dem Sattel zu helfen.
»Es ist unglaublich! Seid Ihr wirklich das kleine Mädchen, das ich damals auf meinen Schultern reiten ließ?« Steifnacken schüttelte wieder und wieder den Kopf. Es schien ihm kaum vorstellbar, dass aus dem dürren, wieselflinken Kind, dem der Vater keine Beachtung geschenkt und das sich deshalb wie eine Klette an ihn gehängt hatte, eine junge Dame geworden war, die ihn um mehr als einen halben Kopf überragte. Sie war auch nicht mehr ganz so dünn wie damals, sondern an den richtigen Stellen sanft gerundet. In Gedanken verglich Steifnacken sie mit Bianca, der fülligen Mätresse seines ermordeten Capitano, und zuckte dann kaum merklich zusammen. Caterina wusste nichts davon, dass ihr Vater mit einer Frau ohne den Segen der Kirche zusammengelebt und ihr zwei Schwestern beschert hatte, und er hoffte, diese Tatsache erst einmal vor ihr verbergen zu können. Es gab weitaus wichtigere Dinge zu klären, die nicht durch unnützes Nachfragen oder gar Tränenausbrüche gestört werden durften.
Caterinas Blick glitt suchend über die anwachsende Schar der Männer, aber sie konnte weder ihren Vater noch ihren Bruder entdecken, und sie begann zu ahnen, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.
Steifnacken las in ihrer Miene, dass sie sich vor dem Kommenden fürchtete, und nahm sie tröstend in die Arme. Während sie noch wie erstarrt auf ihn herabblickte, flossen ihm die Tränen wie Bäche über die Wangen. »Der Capitano, Euer Vater, ist nicht mehr! Er wurde zusammen mit Eurem Bruder Jakob von ruchlosen Mördern umgebracht.«
Caterina sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und begann zu zittern. Ihre Lippen bewegten sich dabei, als wolle sie gleichzeitig schreien und eine Frage formulieren. Doch sie brachte keinen Ton heraus, als hätte ihr ein böser Geist die Stimme geraubt.
Steifnacken versuchte unbeholfen, sie zu trösten, obwohl er selbst nicht mehr Herr seiner Gefühle war. »Kleines, es tut mir so leid!«
Caterina vernahm seine Worte wie aus weiter Ferne, begriff aber nicht, was er sagte, denn in ihrem Kopf hatte nichts anderes Platz als die niederschmetternde Nachricht, die in ihr widerhallte, als wolle sie sie verhöhnen. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass sie ihren Vater und ihren Bruder niemals mehr wiedersehen würde, und fühlte sich wie mit einer Keule niedergestreckt. Nun begannen auch ihre Tränen zu rinnen, aber das Weinen wusch den in ihr aufkeimenden Schmerz ebenso wenig hinweg wie der Trost, den ihr die unbeholfenen Beileidsbekundungen der Söldner spenden sollten.
Es dauerte geraume Zeit, bis sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst wurde. Sie atmete tief durch, um den Ring um ihre Brust zu lockern, löste sich mit einer müden Bewegung aus Steifnackens Armen und wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides über das nasse Gesicht.
»Gott sei ihren armen Seelen gnädig!« Die Worte schienen ihr unpassend zu sein, doch mehr vermochte sie nicht über die Lippen zu bringen.
Der Schwabe sah so aus, als würde er seinen rechten Arm dafür opfern, Caterina den Vater zurückgeben zu können, doch ihm blieb nur, ein aus tiefster Seele kommendes »Amen!« hinzuzufügen.
15.
F abrizio
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