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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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den Abzug zu betätigen. Er besaß jedoch das Talent zu einem erstklassigen Unterstützungsagenten, und er machte niemals einen Fehler – nicht einmal in der Abschlußphase, als ihnen der Schwarze September und die europäischen Sicherheitsdienste dicht auf den Fersen waren. Das war der Benjamin, den Gabriel jetzt sah – der Benjamin, der seinen Ruf niemals einer einzelnen Quelle, eines einzelnen Schriftstücks wegen aufs Spiel gesetzt hätte, und waren sie noch so überzeugend.
    »Benjamin hätte kein Buch über die Verwicklung der katholischen Kirche in den Holocaust allein auf der Grundlage von Schwester Reginas Bericht geschrieben. Er muß weitere Beweise gehabt haben.«
    Chiara bremste, fuhr auf den Seitenstreifen der autoroute und hielt dort.
    »Und?«
    »Ich habe mit Benjamin im Einsatz zusammengearbeitet. Ich weiß, wie er dachte, wie sein Verstand funktionierte. Er war sorgfältig bis zur Pedanterie. Er machte Reservepläne für seine Reservepläne. Benjamin wußte, daß dieses Buch explosiv sein würde. Deswegen hat er den Inhalt so geheimgehalten. Er hat Kopien seines wichtigsten Materials an Orten versteckt, an denen seine Feinde niemals danach suchen würden.« Gabriel zögerte, dann fügte er hinzu: »Aber gleichzeitig an Orten, an denen seine Freunde bestimmt suchen würden.«
    Chiara drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Auf der Akademie haben wir gelernt, ein Zimmer zu betreten und hundert Verstecke für alles mögliche aufzuspüren. Für Schriftstücke, Waffen und vieles mehr.«
    »Diesen Kurs haben Benjamin und ich damals gemeinsam absolviert.«
    »Wohin fahren wir also?«
    Gabriel hob eine Hand und zeigte geradeaus.
    Sie wechselten sich ab, so daß keiner von beiden mehr als zwei Stunden durchgängig am Steuer sitzen mußte. Chiara schaffte es, in ihren Ruhepausen zu schlafen, Gabriel dagegen lag wach auf dem nach hinten gekippten Beifahrersitz, hatte die Hände hinter dem Kopf gefaltet und starrte durch das getönte Glasschiebedach auf den Mond. Er verbrachte die Stunden damit, Benjamins Wohnung in Gedanken nochmals zu durchsuchen. Er öffnete Bücher und Schubladen, Kleider- und Aktenschränke. Und er plante Exkursionen in noch unerforschte Regionen.
    Der Tag brach grau und unfreundlich an, mit sintflutartigem Regen und einem eiskalten Wind, der das Rhônetal entlangfegte. Nie wurde es ganz hell, weshalb die Scheinwerfer des Peugeots den ganzen Vormittag eingeschaltet blieben. An der deutschen Grenze durchlebte Gabriel eine Schrecksekunde, als der Beamte den gefälschten kanadischen Paß, den Pazner ihm in Rom ausgehändigt hatte, besonders genau zu begutachten schien.
    Bei Dauerregen durchquerten sie das schwäbisch-bayerische Voralpenland und paßten sich dem hohen Durchschnittstempo auf der Autobahn an. In der ersten bayerischen Stadt, in Memmingen, hielt Gabriel zum Tanken. Nicht weit von der Tankstelle entfernt lag ein Einkaufszentrum, in das er Chiara mit einer Einkaufsliste schickte. Diesmal schnitt er besser ab als in Cannes: zwei graue Flanellhosen, zwei Hemden mit Button-down-Kragen, ein schwarzer Pullover, schwarze Schuhe mit festen Gummisohlen und ein Nylonmantel mit Steppfutter. Eine kleinere Tragetüte enthielt zwei Stablampen, Ersatzbatterien und ein ganzes Sortiment an Schraubenziehern, Zangen und Schraubenschlüsseln.
    Gabriel zog sich im Auto um, während Chiara die letzten hundertzehn Kilometer nach München am Steuer saß. Es war später Nachmittag, als sie dort ankamen. Der Himmel war mit bleigrauen Wolken verhangen, aus denen gleichmäßiger Regen fiel. Einsatzwetter, hätte Schamron dazu gesagt. Ein Geschenk der Geheimdienstgötter. Gabriel dröhnte der Kopf vor Übermüdung, und seine Augen fühlten sich an, als habe er Sand unter den Lidern. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt richtig geschlafen hatte. Bei einem Blick zu Chiara hinüber bemerkte er, daß sie das Lenkrad umklammerte, als sei es die letzte Stütze, die sie noch aufrecht hielt. Ein Hotel kam nicht in Frage. Aber Chiara hatte eine Idee.
    Unmittelbar südlich des alten Münchner Stadtkerns steht in der Nähe des Gärtnerplatzes ein eher langweiliges graues Gebäude mit einer unauffälligen, glatten Fassade. Neben der zweiflügeligen Glastür verkündete ein Schild: JÜDISCHES MUSEUM MÜNCHEN – ISRAELITISCHE KULTUSGEMEINDE. Chiara parkte auf dem Gärtnerplatz und hastete in das Gebäude hinein. Nach fünf Minuten kam sie zurück, fuhr um die Ecke und parkte vor dem Eingang in der

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