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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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von Firnisschichten gebrauchte. Als er um die Ecke blickte, entdeckte er den Schönheitssalon. Eine dicke Frau, die gerade bei einer Pediküre saß, sah von einer Modezeitschrift auf. Gabriel drehte sich weg. Benjamin, der ewige Student, sagte er sich. Benjamin wird sich in einem Haus wie diesem wohlgefühlt haben.
    An der Wand gegenüber der Haustür hing eine Reihe Briefkästen aus Stahlblech. Benjamins Kasten trug noch immer seinen Namen. Durch das kleine Fenster konnte Gabriel erkennen, daß er leer war.
    Die Alte, in deren Hand ein Schlüsselbund klirrte, führte sie die spärlich beleuchtete Treppe hinauf. Vor Benjamins Wohnung blieb sie stehen. Am Türrahmen waren noch Überreste des Siegels zu erkennen, mit dem die Kripo den Tatort gesichert hatte, und auf dem Fußabtreter lag ein Strauß vertrockneter Rosen. An der Wand klebte ein Schild, auf das jemand verzweifelt gekritzelt hatte: Liebe ist stärker als Haß. Irgend etwas an der idealistischen Naivität dieses Slogans verbitterte Gabriel. Dann fiel ihm ein, daß Leah das gleiche zu ihm gesagt hatte, als er nach Europa abgereist war, um in Schamrons Auftrag Palästinenser zu töten.
    »Liebe ist stärker als Haß, Gabriel. Was du auch tust – du darfst sie nicht hassen. Haßt du sie, wirst du genau wie Schamron.«
    Die alte Frau schloß die Wohnungstür auf und ging, ohne Gabriel noch einmal anzusehen. Er fragte sich, weshalb ihr in seiner Gegenwart unwohl war. Vielleicht lag das an ihrem Alter. Vielleicht gehörte sie zu einer Generation, die sich in Anwesenheit von Juden noch immer nicht wohlfühlen konnte.
    Weiss führte Gabriel in das vordere Zimmer, das auf die Adalbertstraße hinausging. Inzwischen war es fast dunkel. Der Kriminalbeamte knipste Benjamins Schreibtischlampe an. Gabriel sah zu Boden und trat rasch einen Schritt zurück. Der Teppich war mit Benjamins Blut getränkt. Als er den Kopf wieder hob, sah er die Graffiti an den Wänden. Kommissar Weiss deutete auf das erste Symbol, eine Raute auf einem Ständer, der an ein umgekehrtes V erinnerte.
    »Das ist die sogenannte Odinsrune«, sagte Weiss. »Ein altes nordisches Zeichen, das Anhänger des heidnischen Wotansglaubens verwenden.«
    »Und das zweite?« fragte Gabriel, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    Der Kommissar betrachtete es einen Augenblick, bevor er antwortete. Dreimal die Zahl sieben, unten miteinander verbunden, von einem Meer aus roter Farbe umgeben.
    »Das sind die Drei Siebener oder das Dreigezackte Hakenkreuz«, sagte der Deutsche. »Ein Symbol der Überlegenheit über den Teufel, der bekanntlich durch die Zahl 666 dargestellt wird.«
    Gabriel trat einen Schritt vor und legte den Kopf leicht schräg, als begutachte er ein Gemälde, das restauriert werden mußte. Seinem wohlgeschulten Auge erschien es, als sei der Sprühkünstler kein Überzeugungstäter, sondern ein Nachahmer gewesen. Und dann fiel ihm noch etwas anderes auf. Die Haßsymbole waren vermutlich nur Augenblicke nach der Ermordung Benjamins an die Wand gesprüht worden – und trotzdem waren alle Linien sauber ausgeführt und gerade, ohne Streß oder Panik erkennen zu lassen. Ein Mann, der das Morden gewöhnt ist, dachte Gabriel. Ein Mann, den es nicht stört, mit Toten zusammenzusein.
    Er trat an den Schreibtisch. »Ist Benjamins Computer als Beweismittel beschlagnahmt worden?«
    Weiss schüttelte den Kopf. »Gestohlen.«
    Gabriel betrachtete den Safe, der geöffnet und leer war.
    »Auch gestohlen«, sagte der Kommissar, der damit die nächste Frage vorwegnahm.
    Gabriel zog ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber aus der Jackentasche. Der Polizeibeamte ließ sich schwer aufs Sofa fallen, als sei er den ganzen Tag auf Streife gewesen.
    »Ich muß in der Wohnung bleiben, während Sie die Inventarliste aufstellen. Tut mir leid, aber das ist Vorschrift.« Er lockerte seine Krawatte. »Lassen Sie sich ruhig Zeit, Herr Landau. Und egal, was Sie tun, versuchen Sie auf keinen Fall, irgendwas mitzunehmen, ja? Auch das ist Vorschrift.«
    In Anwesenheit des Kriminalbeamten konnte Gabriel nicht so gründlich arbeiten, wie er es sich gewünscht hätte. Er fing mit dem Schlafzimmer an. Das Bett war nicht gemacht, und auf dem abgewetzten Ledersessel lag ein Stapel frischer Wäsche – noch in Papier mit dem Aufdruck einer Wäscherei verpackt. Auf dem Nachttisch sah er eine schwarze Augenmaske und Ohrenstöpsel aus Schaumgummi. Benjamin, daran erinnerte Gabriel sich jetzt, hatte einen chronisch leichten Schlaf gehabt.

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