Die Loge
sich in dem schlichten Speisezimmer der päpstlichen Gemächer gegenüber: der Papst in weißer Soutane und weißem zucchetto , der Kardinal in schwarzer Soutane mit scharlachrotem Gürtel und ebensolchem Scheitelkäppchen. Wie immer schien Brindisi vom Essen enttäuscht zu sein. Das gefiel dem Heiligen Vater. Der Papst wußte, daß Brindisi ein Gourmet war, der seine Abende gern damit verbrachte, die kulinarischen Köstlichkeiten des Restaurants »L'Eau Vive« zu genießen. Deshalb bat er seine Nonnen an jenem Wochentag immer, etwas besonders Einfallsloses zu kochen. Heute bestand das Menü aus einer undefinierbaren Fleischbrühe, der ein trockener Kalbsbraten mit faden Salzkartoffeln folgte. Der Kardinal nannte die Speisenfolge »interessant« und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Eine Dreiviertelstunde lang ließ sich Brindisi über Angelegenheiten der Kurie aus, von denen eine langweiliger war als die nächste. Eine Personalkrise in der Kongregation für Gottesverehrung und Reinheit der Sakramente. Ein Streit im Päpstlichen Rat für die Seelsorge bei Migranten und Wanderarbeitern. Ein Bericht über das monatliche Treffen der Führungsspitze der Vatikanbank. Anschuldigungen, ein bestimmter Monsignore aus der Kongregation für die Geistlichkeit mißbrauche Dienstwagen für Privatfahrten. Immer wenn Brindisi eine Atempause machte, murmelte der Papst: »Ah, wie interessant, Euer Eminenz«, während er sich fragte, was ihn Probleme mit Dienstwagen angingen.
»Ich fürchte, wir müssen eine Angelegenheit besprechen, die …«, der pedantische Kardinal räusperte sich und tupfte sich mit seiner Serviette die Lippen. »Eine etwas unangenehme Sache, Euer Heiligkeit. Aber vielleicht wäre dies eine gute Gelegenheit.«
»Bitte, Euer Eminenz«, sagte der Papst rasch, weil er jeden Themenwechsel begrüßte, der das Einerlei des Kurienalltags durchbrechen konnte. »Ich bin ganz Ohr.«
Brindisi legte seine Gabel weg wie ein Mann, der sich nach langer Belagerung ergibt, und faltete die Hände unter dem Kinn. »Unser alter Freund von der Repubblica scheint wieder mal Ärger zu machen. Bei der Arbeit an einem langen Profil von Eurer Heiligkeit für die Osterausgabe seiner Zeitung hat er einige …« – eine nachdenkliche Pause, ein Blick gen Himmel mit der Bitte um Inspiration – »… einige Widersprüchlichkeiten in bezug auf Eure Kindheit ausgegraben.«
»Was für Widersprüchlichkeiten?«
»Widersprüchlichkeiten in bezug auf das Sterbedatum Eurer Mutter. Wie alt Ihr wart, als Ihr Waise wurdet. Wo Ihr aufgewachsen seid. Wer sich um Euch gekümmert hat. Er ist ein umtriebiger Journalist, ein ständiger Dorn im Fleisch des Sekretariats. Er schafft es, Dinge ans Tageslicht zu bringen, die wir lieber begraben gelassen hätten. Ich habe meinem Stab eingeschärft, daß niemand ohne Genehmigung des Presseamts mit ihm reden darf, aber aus irgendeinem Grund …«
»Irgendwie reden doch Leute mit ihm.«
»Das scheint der Fall zu sein, Euer Heiligkeit.«
Der Papst schob seinen leeren Teller von sich und atmete geräuschvoll aus. In den Tagen nach dem Konklave hatte er die Öffentlichkeit rückhaltlos über seine Kindheit informieren wollen, aber in Kurie und Presseamt waren viele der Ansicht gewesen, die Welt sei noch nicht auf einen Papst vorbereitet, der als Straßenjunge aufgewachsen war und sich mit Kopf und Fäusten durchgeschlagen hatte, bis er eines Tages zum Glauben gefunden hatte. Das war ein Beispiel für genau die Kultur von Geheimhaltung und Täuschung, die Lucchesi am Vatikan verabscheute. Aber zu Beginn seiner Amtszeit hatte er kein wertvolles politisches Kapital verspielen wollen. Deshalb hatte er widerstrebend zugestimmt, einige der weniger heiligen Aspekte seiner Kindheit und Jugend zu vertuschen.
»Es war ein Fehler, der Welt zu erzählen, ich sei in Padua in einer intakten Familie voller Demut vor Jesus und Maria aufgewachsen, bevor ich mit fünfzehn ins Seminar eingetreten bin. Euer Freund bei der Repubblica wird die Wahrheit herausbekommen.«
»Überlaßt die Repubblica mir. Wir haben Mittel, unbotmäßige Journalisten zur Räson zu bringen.«
»Zum Beispiel?«
»Wir lassen ihn Euer Heiligkeit nicht mehr auf Auslandsreisen begleiten. Er verliert seine Zulassung beim Presseamt und wird von Pressekonferenzen ausgeschlossen.«
»Das erscheint mir überzogen.«
»Ich bezweifle, daß es dazu kommen wird. Ich bin sicher, wir können ihn von der Wahrheit überzeugen.«
»Von
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