Die Loge
Die Uniformierten erreichten den Hof, kamen polternd zum Stehen und rissen sofort ihre Maschinenpistolen in Schußposition hoch. Gabriel erfaßte instinktiv, daß es zwecklos war, sich ergeben zu wollen. Er warf sich hin und landete schmerzhaft auf der Brust, während der erste Feuerstoß über ihn hinwegging. Rossi war nicht schnell genug. Ein Geschoß traf seine rechte Schulter und schleuderte ihn zu Boden.
Seine Beretta fiel ihm aus der Hand, schlitterte über das Pflaster und blieb keinen halben Meter von Gabriels linker Hand entfernt liegen. Gabriel streckte die Hand aus und zog die Pistole zu sich heran. Ohne zu zögern, stützte er sich auf die Ellbogen und begann zu schießen. Erst ging der eine Carabiniere zu Boden, dann folgte der andere.
Gabriel kroch zu Rossi hinüber. Der Inspektor hatte einen stark blutenden Schulterdurchschuß.
»Wo haben Sie so schießen gelernt?«
»Können Sie gehen?«
»Helfen Sie mir auf.«
Gabriel zog Rossi hoch, legte dem Italiener einen Arm um die Taille und führte ihn zu dem Durchgang. Als sie an den beiden toten Carabinieri vorbeikamen, hörte Gabriel laute Stimmen hinter sich. Er ließ Rossi los und hob eine der Maschinenpistolen auf; dann warf er sich herum, ließ sich auf ein Knie nieder und bestrich die Rückwand der Pension mit MP-Feuer. Er hörte Aufschreie und sah, wie Männer in Deckung sprangen.
Gabriel griff sich ein Reservemagazin, rammte es in die Waffe und steckte sich Rossis 9-mm-Beretta in den Hosenbund. Dann packte er den Inspektor am linken Arm und zog ihn mit sich durch die Passage. Als sie die Straße fast erreicht hatten, tauchten erneut zwei Carabinieri auf. Gabriel schoß sofort und holte beide Männer von den Beinen.
Auf der anderen Straßenseite zögerte Gabriel einen Augenblick lang. Von links kam ein Wagen mit Blaulicht und heulender Sirene auf sie zugerast. Von rechts kamen vier Männer im Laufschritt herangestürmt. Auf der anderen Straßenseite lag der Eingang einer Trattoria.
Als sich Gabriel wieder in Bewegung setzte, wurden aus dem Durchgang hinter ihnen Schüsse abgefeuert. Er warf sich nach links, wo er hinter der Mauer in Deckung war, und versuchte, Rossi zu sich zu ziehen, aber der Italiener war von zwei Schüssen in den Rücken getroffen. Er erstarrte und warf mit weit ausgebreiteten Armen den Kopf in den Nacken, als ein letzter Schuß rechts durch seinen Unterleib ging.
Gabriel konnte nichts mehr für ihn tun. Er spurtete über die Straße und riß die Eingangstür der Trattoria auf. Unter den Gästen brach sofort Panik aus, als er mit einer Maschinenpistole in den Händen hereinstürmte.
Auf Italienisch rief er: »Terroristen! Terroristen! Los, raus hier!«
Die Gäste sprangen alle gleichzeitig auf und drängten zum Ausgang. Als Gabriel nach hinten zur Küche rannte, konnte er hören, wie die gereizten Carabinieri die Leute anbrüllten, aus dem Weg zu gehen.
Gabriel stürmte durch die winzige Küche, an verblüfften Köchen und Obern vorbei, und stieß die Hintertür auf. Vor ihm lag eine schmale Gasse, keine eineinhalb Meter breit, übelriechend und finster wie ein Bergwerksstollen. Er knallte die Tür hinter sich zu und rannte los. Einige Sekunden später flog die Tür wieder auf. Gabriel warf sich herum und gab zwei kurze Feuersalven ab. Die Tür wurde zugeknallt.
Am Ende der Gasse erreichte er einen breiten Boulevard. Rechts von ihm ragte die Fassade der Kirche Santa Maria Maggiore auf, links breitete sich die ausgedehnte Piazza Vittorio Emanuele II. aus. Gabriel ließ die Maschinenpistole im Dunkel der Gasse zurück und schlängelte sich geschickt durch den Verkehr auf dem Boulevard. Aus allen Richtungen war Sirenengeheul zu hören.
Er folgte mehreren schmalen Straßen, überquerte die Via Merulana, einen weiteren vielbefahrenen Boulevard, und fand sich zuletzt am Rand des großen Parks wieder, der das Kolosseum umgab. Dort blieb er auf den dunklen Fußwegen. Die Carabinieri , die den Park bereits mit Stablampen absuchten, waren gut zu sehen und leicht zu umgehen.
Zehn Minuten später erreichte Gabriel den Tiber. In einer Telefonzelle am Kai wählte er eine Nummer, die er bisher noch nie hatte benützen müssen. Gleich nach dem ersten Klingeln meldete sich eine junge Frau mit angenehmer Stimme. Sie sprach ihn auf Hebräisch an. Das war der süßeste Klang, den er je gehört hatte. Gabriel nannte sein Kennwort, dann einen Zahlencode. Er mußte einen Augenblick warten, während die junge Frau beides in ihren Computer
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