Die Loge
sagte Gabriel.
Pazner beugte sich über den Tisch: »Sie sollten sie erst mit ihrer Beretta sehen!«
Eric Lange landete an diesem Morgen um neun Uhr auf dem Flughafen Leonardo da Vinci. Hinter der Paß- und Gepäckkontrolle sah er Raschid Husseinis Mann im Empfangsgebäude stehen und ein braunes Schild mit der Aufschrift TRANSEURO TECHNOLOGIES – MR. BOWMAN hochhalten. In einer Tiefgarage hatte er einen Wagen geparkt – einen klapprigen Lancia, den er übertrieben vorsichtig chauffierte. Er nannte sich Marwan Asiz und sprach Englisch mit leicht britischem Akzent. Wie Husseini hatte er etwas von einem Gelehrten an sich.
Er fuhr zu einem verwahrlosten Wohnblock auf dem Aventin und führte Lange eine baufällige Treppe hinauf, die sich im Halbdunkel in die Höhe schraubte. Das einzige Möbelstück in seiner Wohnung war ein Fernseher, der mit einer Satellitenschüssel auf dem winzigen Balkon verbunden war. Asiz übergab Lange eine Pistole, eine 9-mm-Makarow mit aufgeschraubtem Schalldämpfer, und kochte dann in der Einbauküche türkischen Kaffee. Die folgenden drei Stunden verbrachten sie damit, wie Beduinen im Schneidersitz auf dem Teppichboden zu sitzen und die Berichterstattung des Fernsehsenders Al-Jasira aus den Palästinensergebieten zu verfolgen. Der Palästinenser rauchte eine amerikanische Zigarette nach der anderen. Bei jeder im Fernsehen gezeigten Greueltat stieß er eine lange Reihe arabischer Flüche aus.
Gegen vierzehn Uhr ging Asiz hinunter, um Brot und Käse einzukaufen. Als er zurückkam, saß Lange fasziniert vor einer Kochsendung, die auf einem US-Kabelkanal lief. Asiz kochte noch mehr türkischen Kaffee und schaltete wieder auf Al-Jasira um, ohne Lange vorher zu fragen. Lange aß eine Kleinigkeit, dann legte er seinen Mantel als Kopfkissen zusammen und streckte sich auf dem Boden aus, um ein Nickerchen zu machen. Er wachte auf, weil Asiz' Handy summte. Als er die Augen öffnete, sah er, wie der Araber, das Handy am Ohr, aufmerksam zuhörte und Notizen auf eine Papiertüte kritzelte.
Asiz steckte das Handy ein, dann beanspruchte das Fernsehen wieder seine Aufmerksamkeit. Ein Moderator kommentierte atemlos Aufnahmen, auf denen israelische Soldaten in eine Menge jugendlicher Palästinenser schossen.
Asiz zündete sich eine weitere Zigarette an und sah zu Lange hinüber.
»Kommen Sie, wir ziehen los und legen das Schwein um.«
Bei Sonnenuntergang tat Gabriels Schußwunde schon weniger weh, und er hatte wieder Appetit. Chiara kochte Fettuccine mit Champignons in Sahnesauce. Beim Essen sahen sie sich die Abendnachrichten an. Die ersten zehn Minuten waren ganz der Fahndung nach dem Papstattentäter gewidmet. Zu Aufnahmen von schwerbewaffneten italienischen Sicherheitskräften, die auf Flughäfen und an den Grenzen patrouillierten, berichtete ein Korrespondent von einer der größten Menschenjagden, die Italien je erlebt hatte. Als auf dem Bildschirm ein Photo von Gabriel erschien, drückte Chiara seine Hand.
Nach dem Abendessen verband sie seine Wunde neu und injizierte ihm nochmals ein Antibiotikum. Als sie ihm wieder ein Schmerzmittel anbot, lehnte Gabriel dankend ab. Gegen achtzehn Uhr zogen sie sich um. Laut Wettervorhersage war mit Regen und hohem Seegang zu rechnen, also kleideten sie sich entsprechend: Vliesunterwäsche, wasserdichtes Seezeug, Gummistiefel über dicken Wollsocken. Pazner hatte Gabriel einen gefälschten kanadischen Reisepaß und eine 9-mm-Beretta dagelassen. Gabriel steckte den Paß in die mit einem Reißverschluß verschließbare Innentasche seiner Jacke und verstaute die Beretta griffbereit in einer Gürteltasche.
Pazner kam pünktlich um achtzehn Uhr dreißig. Auf seinem breiten Gesicht standen tiefe Sorgenfalten, und seine Bewegungen waren knapp und präzise. Bei einer letzten Tasse Kaffee erläuterte er ruhig, wie das Unternehmen ablaufen würde. Die beiden aus Rom hinauszuschaffen, sei der gefährlichste Teil von Gabriels Flucht, erklärte er ihnen. Die Polizei habe bewegliche Straßensperren errichtet und nehme in der ganzen Stadt willkürlich Kontrollen vor. Seine geschäftsmäßige Art trug viel dazu bei, Gabriels Nervosität zu mildern.
Um neunzehn Uhr verließen sie die Wohnung. Als sie die Treppe hinuntergingen, sprach Pazner absichtlich einige Sätze in akzentfreiem Italienisch. Auf dem Hof stand ein dunkelgrauer VW-Transporter bereit. Pazner setzte sich auf den Beifahrersitz; Gabriel und Chiara stiegen durch die rechte Seitentür in den Laderaum. Das
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