Die Logik des Verruecktseins
mithilfe seiner Weltbezugsvorschläge, wobei der jeweilige aktuelle Vorschlag das Bewusstsein mit Hilfe des Selbstwertgefühls durch das soziale Miteinander dirigiert.
Störungen in dieser Raumthemenaneignung führen zu Störungen im Selbstwertgefühl, bei der die stimmige und hilfreiche Dynamik der Selbstwertregulation nicht im wünschenswerten Maße gelingt. Statt im sozialen Miteinander virtuos und dynamisch auf der Selbstwertklaviatur zu spielen, verliert die Person aus unterschiedlichen Gründen diese Virtuosität oder erlangt sie nie, und wenige Selbstwerttöne werden stupide und monoton in den sozialen Raum hinübergespielt. Dann ist es egal, wie die anderen auf mich reagieren, unbeeindruckt und unerreichbar bleibe ich sozial letztlich tragisch entkoppelt von den Rückmeldungen in einem bestimmten, im Hier und Jetzt unnützen negativen Selbstwertgefühl hängen. Lebenslängliches Hadern mit sich ist die Folge.
Der sich daran anschließende Raum in unserer lebensgeschichtlichen Entwicklung ist der Raum, den wir nicht einsehen können, den die anderen aber unter Umständen untereinander teilen. Der Raum, den ich intuitiv erschließen muss und in den hinein ich nicht direkt handeln kann, der für meine eigene Gruppensituation aber extrem wichtig ist. Was denken die anderen über mich? Wie beurteilen sie mich? Welchen Stellenwert billigen sie mir zu? In diesen Raum kann ich nicht blicken, aus ihm schauen aber heikle Blicke zu mir herüber. Das Raumthema, das es sich anzueignen gilt, ist die Stabilität vor sozialer Kritik, das Standhaltenkönnen vor möglicher Beanstandung der anderen.
Der letzte Raum öffnet sich in die Unendlichkeit, in die wir hineingehalten sind durch unsere Todesgewissheit. Das Raumthema ist hier die Sinnfindung des Seins.
Für alle Raumthemen gilt, dass sie von Anfang an da sind, Schwerpunktbereiche und Bewährungszeiten in bestimmten Raumthemenfeldern haben und lebenslänglich an ihnen gearbeitet werden muss. Die Bearbeitung des letzten Raumthemas, das lange aufgeschoben
und im Gegensatz zu den anderen Themen auch verdrängt werden kann, wird dringlicher, je älter wir werden.
Geglückte und missglückte Weltaneignung
Der schwierigste Reifungsschritt in dieser lebensgeschichtlichen Raumerweiterung ist das Verlassen unserer Ergänzer in der Adoleszenz. Von da an bewegen wir uns nämlich notgedrungen weitgehend selbständig durch das Draußen und müssen bis dahin genug Selbstergänzungskompetenz erlernt haben, um nicht Schiffbruch zu erleiden. Wir zeichnen mit unserer lebensgeschichtlichen Außenraumerweiterung damit eigentlich unsere evolutionäre Entwicklung nach. Zunächst waren wir Wesen, die ganz auf sich gestellt ohne Ergänzer durch das Leben kommen mussten. Dann, lange vor der Erfindung des Säugens, durch dieses aber hochgradig konkretistisch verkörperlicht, tauchte ein Ergänzer auf, der einen Teil seiner Lebenszeit uns opferte: durch Nestbau, Bebrütung des Eis und Brutpflege. Dann wurde die Ergänzertätigkeit durch einen weiteren Ergänzer ergänzt. Schließlich wurden wir zu in Gruppen lebende Wesen, die einander Kooperationspartner und gleichzeitig Konkurrenten waren. Und schließlich wurde evolutionär die Sprache erfunden, die das Reden über die anderen ermöglichte und einen unsichtbaren, aber hochbrisanten Bedeutungsraum schuf. Dahinter liegt dann für uns Menschen noch der Sinn-Raum, den wir selbst anzufüllen haben und in den hinein wir alles betten. Die Evolution hat diese von ihr selbst durchschrittenen Welterweiterungen in uns als Weltaneignungsfähigkeiten verankert und informiert uns mit ihrem in unserer Gehirnarchitektur geronnenen Wissen darüber, welche Gefahren wo auf uns lauern und wie wir sie bewältigen können. Die Evolution liefert also die Weltverständnisnetze, mit deren Hilfe wir in unserer eigenen Entwicklung dann jene wichtigen Weltinformationen herausfischen, einlernen, bedarfsangepasst abrufen und dann anwenden.
Diese Bahnung verschmilzt mit den jeweiligen Erfahrungen eines Menschen zu einer ihm ganz eigenen seelischen Struktur, die uns alle
unterscheidet und dennoch in ihrem Grundaufbau bei allen Menschen gleich ist. Die synergetisch geformten Welträume lernten wir bereits als »Außenbühnen« kennen. Gelingt dieser Vorgang einigermaßen, ist ein Mensch in der Lage, das Seelenlabyrinth und seine Gefahrenerkennungsfähigkeit für sich zu nutzen. Er ist geängstigt, wenn diese Ängstigung notwendig ist, und es gelingt ihm die ausreichende
Weitere Kostenlose Bücher