Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
Sie zögerte einen Moment. Vertraute sie ihm?
„Miss Woodmore“, sagte er, Dringlichkeit in der Stimme. „Bitte. Die Täuschung wird uns nur gelingen, wenn man Sie nicht einsteigen sieht. Oder sieht, wie Sie hier mit mir stehen.“
Es war eine Sache, mit dem Mann einen Walzer zu tanzen, und dann noch eine andere, in einer dämmrigen Ecke alleine miteinander zu reden ... aber das hier ging eindeutig zu weit. Maia würde toben. Angelica wäre kompromittiert, wenn jemand das herausfand.
Andererseits, nach den schrecklichen, chaotischen Ereignissen des Abends ... würde man je davon erfahren oder sich darum scheren? So manche junge Dame hatte den Ball sicherlich im Schock verlassen, und auf der Suche nach einem sicheren Ort keinen Gedanken an ihren guten Ruf verschwendet.
Angelica war zu abgestumpft, um daran noch zu denken. Zu erschöpft, und immer noch sah sie die Bilder von Blut und Schreien und Horror. Es hätte sie sein können.
Sie hatten sie gewollt.
Voss hatte sie beschützt.
Er hatte auch andere gerettet.
Angelica raffte ihr Gewand zusammen und stieg ein, ihr Herz hämmerte, und ihre Handflächen waren feucht, die Knie zitterten ihr noch. Sie setzte sich auf den gepolsterten Sitz, nicht sicher, ob sie sich in die hinterste Ecke setzen sollte, um möglichst viel Abstand zwischen sich und Voss zu lassen, für den Fall, dass er sich neben sie setzte ... oder in der Mitte möglichst ausladend Platz zu nehmen, so dass er sich ihr gegenüber hinsetzen musste.
Aber wenn er sich neben sie setzte, wäre er groß und warm, stark und tröstlich. Vielleicht legte er sogar den Arm um sie.
Oder küsste sie wieder.
Angelica schluckte schwer, völlig verwirrt, ohne jedwede Kontrolle darüber, geschweige denn in der Lage, den Ansturm von Gedanken und Erinnerungen des heutigen Abends zu ordnen. Ihr klapperten fast die Zähne, und ihr wurde nicht warm, obwohl draußen ein milder Sommerabend war.
Voss sprach zu dem Fahrer und kletterte dann mit wehendem Umhang in die Kutsche und setzte sich auf den Platz ihr gegenüber.
Und dann schloss sich die Tür, und sie waren alleine, getaucht ins Dämmerlicht der Kutsche.
Selbst bei diesem schlechten Licht konnte Voss sehen, wie blass sie war. Ihre Lippen waren blutleer, und ihre Augen, tief im Schatten, waren weit geöffnet, alles Gefühl darin stumpf. Sie kauerte in der Ecke, eine stille und farblose Version der Frau, mit der er getanzt, sich geneckt, und die er geküsst hatte.
Und dennoch, er wollte sie. So sehr, dass er kaum einatmen konnte, ohne gleich völlig in ihre Gegenwart zu versinken. Seine Adern zitterten und hämmerten, als er das vorübereilende Spiel von Beleuchtungen auf ihrem Gesicht beobachtete, wie das Licht über ihre Wangen glitt, ihre Lippen, die Grube an ihrem Hals.
Es war die Enge der Kutsche. Die Stille, die Intimität, die Erkenntnis, dass sie alleine waren, und er sie nehmen könnte. So wie er sich im Laufe der Jahrzehnte jede Menge Frauen genommen hatte, willige, unwillige, verführt oder überzeugt.
Er könnte hinübergleiten und sich neben sie setzen, ihr ins Ohr murmeln und sie willens machen. Bevor sie sich darüber im Klaren wäre, wäre es schon vorüber: Seine langen Zähne in ihrem Hals vergraben, ihr Blut auf seiner Zunge, Hände auf ihrer Haut, ihre angespannten Körper ineinander verkeilt. Voss schluckte und überlegte.
Und wenn seine roten Augen und der Bann darin ihre Zurückhaltung nicht lockerten und sie ihm willig in die Arme gleiten ließen, dann sei’s drum ... sie würde schon Lust empfinden. Irgendwann.
Es wäre nicht schwer. Er könnte sie zu sich ziehen, sie quer durch die Kutsche an sich reißen, in seine Arme, und finden, was er suchte.
Aber er rührte sich nicht. Sein Mal ziepte, wie um zu fragen, was ihn denn zurückhielte, aber Voss beachtete es nicht. Stattdessen nahm er seinen Umhang ab, beugte sich rasch vor und legte ihn Angelica um und bedeckte ihre halbnackten Schultern. Dann lehnte er sich wieder in seinem Sitz zurück und plante seinen nächsten Schritt.
Angelica murmelte ein Dankeschön und zog sich den Umhang, der immer noch seine Wärme verströmen musste, enger unter das Kinn. Ihre Augen waren so dunkel in ihrem blassen, ovalen Gesicht.
Und als er zu ihr hinüberblickte, gefesselt vom Schwung ihrer Wangen und den dunklen, betörenden Augen, die ihn unverwandt anblickten,
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