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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wonach ihr der Sinn stand. Nur hatte sie dazu bisher auch äußerst selten Gelegenheit gehabt – und bei Dieter eigentlich nie die Lust.
    «Du hast mich schon verstanden», sagte sie. «Ich bin nicht aus Stein. Du magst in mir ein geldgieriges Aas sehen, ich sehe in dir aber immer noch den Mann, den ich liebe und begehre.»
    «Entschuldige», murmelte er, schaute an sich hinunter und wickelte sich das Handtuch um die Hüften. Viel half ihr das nicht. Und Jacques war in Paris. Aber sie hatte keine Lust mehr, ihn anzurufen und zu hören, dass Nadia bei ihm war und erst zurückkommen wollte, wenn die Blutergüsse verblasst seien. Absolut keine Lust, dann zurückzukehren in die verwüstete Wohnung in der Kettlerstraße.
    «Tut mir Leid», sagte Michael. «Ich hätte nicht alles wieder aufwärmen sollen. Ich hab mit Kemmerling gesprochen, und   …» Er brach ab. Offenbar hatte der Professor bestätigt, dass sie sich nicht bei ihm ausgeweint hatte. Er entschuldigte sich noch einmal und fügte an: «Ich könnte bis Mittwoch Urlaub bekommen. Ich dachte, du willst vielleicht ein paar Einkäufe   …»
    «Habe ich schon gemacht», schnitt sie ihm das Wort ab. «Schinken und Käse liegen im Kühlschrank, Obst ist auch da. Matjes habe ich leider vergessen. Und wenn du jetzt nicht auf der Stelle gehst, fange ich an.»
    Er schüttelte verständnislos den Kopf, ging endlich und ließ sie allein mit der aufgeschlitzten Matratze, dem zerbrochenen Porzellan, den Federn über allem, dem Polizeisiegel an der Tür, Zurkeulens nachdenklich-höflichen Fragen nach Nadia Trenkler und Hardenbergs Behauptung, keine Frau dieses Namens zu kennen.
    Sie ging früh zu Bett. Es war nicht einmal zehn. Michael saß noch vor dem Fernseher, schaltete ab bei Rockmusik und hektisch wechselnden Bildern. Diesmal wälzte Shakira sich im Schlamm und wackelte mit den Hüften. Sie hätte nicht zwei Sekunden neben ihm sitzen können, ohne sich ihm an den Hals zu werfen, ein umfassendes Geständnis abzulegen und zu betteln: «Lass mich bei dir bleiben. Ich bekomme ein Baby von dir. Aber ich werde dich nicht weniger lieben, wenn es da ist.»
    Irgendwann hörte sie die Zentralverriegelung, die Rollläden und ihn in eines der Gästezimmer gehen. Kurz darauf schlief sie ein und erwachte von einem heftigen Rütteln an der Schulter. Es war wenige Minuten nach sechs. Das Deckenlicht brannte. Er stand über sie gebeugt, in einer Hand hielt er einen Teil der Tageszeitung. Seine Miene spiegelte Betroffenheit, Fassungslosigkeit, Ungläubigkeit, Ablehnung, spiegelte eine so breite Palette von Empfindungen, dass sie sich unmöglich auf einen Blick erfassen ließen. «Hier», sagte er nur mit belegter Stimme und hielt ihr die Zeitung vor.
    Die Titelzeile sprang sie an wie ein wildes Tier. «Frauenleiche identifiziert». Daneben war ihr Gesicht abgebildet, doch das konnte ihn nicht so erschüttert haben. Bei der grobkörnigen Abbildung musste man schon genau hinschauen, um die frappierende Ähnlichkeit zu entdecken. Es war ein altes, unvorteilhaftes Foto aus der Zeit, in der sie am Bett ihrer Schwiegermutter von Fürstenschlössern und armen Dienstmädchen vorgelesen hatte. Sie sah darauf aus wie ein verhärmtes Hausmütterchen, keinesfalls wie Nadia. Vermutlich hatte Dieter der Redaktion dieses Bild zur Verfügung gestellt.
    Der Artikel bezog sich auf den Bericht vom Vortag über die Tote im Müllcontainer. Die Polizei bat um Hinweise, wer hatte sie zuletzt gesehen, konnte Auskunft über ihre Aktivitäten geben und so weiter. Es handle sich um Susanne Lasko, die geschiedene Frau des bekannten Journalisten und Autors Dieter Lasko. Es waren die beiden Namen, über die Michael sich so aufregte.
    Als er um halb acht erklärte, er müsse jetzt ins Labor, las sie es zum fünften, sechsten oder siebten Mal und wunderte sich, dass ihr nicht übel war. Für etwas anderes als die morgendliche Übelkeit schien kein Platz in ihrem Bewusstsein. Ehe er zur Garage ging, befahl er ihr, sich nicht von der Stellezu rühren, bis er heimkäme. Er wollte zusehen, es früher zu schaffen. Das klang wie eine Drohung, dabei hätte sie noch gar nicht gewusst, wohin sie sich rühren sollte.
     
    Pünktlich um acht erschien Andrea und brachte wieder ihr Söhnchen mit. Der kleine Junge näherte sich ihr mit dem Daumen im Mund und einem schmuddeligen Stofftier im Arm, während seine Mutter in der Diele ein Paar Gesundheitslatschen aus ihrer Tasche nahm und den bunten Kittel über Jeans und Pullover

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