Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Kälte, als sie wieder zu sich kam. Auf ihrer Brust lastete ein ungeheurer Druck. Dann wurde es allmählich leichter und wieder hell. Michael kniete neben ihr und drückte mit beiden Händen rhythmisch unter ihre Rippen. Sie hustete, röchelte, spuckte Wasser und hörte ihn atemlos betteln: «Ja, komm, komm, komm, so ist es gut. Atme.»
    Er ließ ihr nicht genug Luft, küsste sie wieder und wieder, umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und stammelte: «Was war denn los? Bist du mit dem Kopf angeschlagen? Du hattest doch etwas getrunken, ja? Sag mir, dass du etwas getrunken hast. Sag mir noch einmal, dass du mich liebst. Ich liebe dich doch auch. Dich, verstehst du, nicht das Geld, das du machen kannst.» Er war wie von Sinnen, streifte ihr das Wasser aus den Haaren und von der Haut, zog ihr gleichzeitig den triefend nassen Pullover über den Kopf, zerrte die Hose von ihren Beinen.
    Ihre Zähne schlugen aufeinander. «Mir ist so kalt.»
    «Dir wird gleich warm.» Er nahm sie auf die Arme, trug sie nach oben. Und er war auch im Bett alles andere als Standard. Er war verrückt – nach Nadia. Es nahm kein Ende. Die Kälte verlor sich, nur tief im Innern blieb etwas davon zurück – wie ein Stachel, den jedes Nadia aus seinem Mund tiefer ins Fleisch trieb. Obwohl sich alles dagegen sträubte, begriff sie, dass Dieter Recht hatte. Dass dieser Mann, der nicht aufhören konnte, sie zu küssen, zu streicheln, zu lieben, im entscheidenden Moment für sie eine weit größere Gefahr darstellen könnte als Zurkeulen und sein Schläger. Sie musste schnellstmöglich aus seiner Nähe verschwinden.
     
    Irgendwann klingelte im Arbeitszimmer das Telefon, der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Durch die offene Tür drang Nadias Stimme mit der Ansage. Dann sagte Dieter: «Du verrücktes Huhn. Wo hast du so Auto fahren gelernt? Ruf an. Ich hab dir doch gesagt, dass ich morgen keine Zeit habe.»
    Erst in dem Moment ließ Michael von ihr ab und richtete sich ernüchtert auf. «Wer ist das?»
    «Ich weiß nicht. Da hat sich wohl jemand verwählt.»
    Sie zog seinen Kopf wieder zu sich herunter. Im Arbeitszimmer flehte Dieter, sie möge um Himmels willen nicht selbst einen Versuch unternehmen, damit nicht auch noch der klägliche Rest zum Teufel ginge. Sie deckte mit beiden Händen Michaels Ohren zu und hielt seinen Mund auf ihrem fest, bis es endlich still wurde. Er rückte von ihr ab, schaute auf sie hinunter. «Nadia, ich will wissen, was los ist. Ich muss es wissen.»
    Und sie erzählte ihm, Philipp habe hinter ihrem Rücken ein perfides Spiel mit einer Doppelgängerin getrieben. Es kam ihr flüssig über die Lippen. Lügen konnte sie mindestens ebenso gut wie Nadia, hatte ja lange genug bei ihrer Mutter geübt. «Ich habe wochenlang nicht begriffen, was da vorging», sagte sie. «Helga fragte ein paar Mal, ob ich etwas vergessen hätte, wenn ich ins Büro kam. Das klang, als sei ich schon mal da gewesen an dem Tag. Aber wer denkt denn an so etwas? Es rechnet doch niemand damit, dass es ihn zweimal gibt.»
    Auf den Gedanken sei sie erst gekommen, als sie zum ersten Mal mit dem Namen Lasko angesprochen wurde, behauptete sie. Nicht von dem wütenden Mann in der Bank, nein, der Bürovorsteher von Behringer und Partner habe sie im Aufzug freundlich gegrüßt und sich nach ihrem Job bei Alfo Investment erkundigt. Von dem netten Herrn Reincke habe sie erfahren, dass Susanne Lasko sich um eine Anstellung als Schreibkraft bei ihm beworben und dass Philipp Hardenbergihre Einstellung torpediert habe. Natürlich habe sie sich gefragt, wozu Philipp eine Doppelgängerin engagiert habe – und das ohne Helgas Wissen. Deshalb sei sie in letzter Zeit so oft unterwegs gewesen, habe auch über Nacht wegbleiben und ihm dumme Ausreden bieten müssen.
    «Ich dachte, dass Philipp diese Frau nur noch anderswo trifft, weil Helga vielleicht stutzig geworden war. Wenn er auf Reisen ging, bin ich ihm gefolgt. Aber ich habe die Frau nie zu Gesicht bekommen. Und bei diesem Herrn Reincke mochte ich mich nicht nach ihrer Anschrift erkundigen. Nachdem ich letzten Mittwoch von diesem wütenden Kunden angesprochen wurde, habe ich mein Glück im Büro versucht. Ich dachte, es müsse irgendwelche Unterlagen geben. Aber mehr als diesen Umschlag mit Papieren und das alte Schlüsselmäppchen, die Sachen, die im Kofferraum lagen, habe ich nicht gefunden. Am Freitag bin ich zu der Adresse gefahren, Kettlerstraße. Die Schlüssel passten, die Frau war nicht da. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher