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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Wohnzimmer, Esszimmer, Kaminzimmer, Küche. Die Aufzählung hatte nach viel und groß geklungen, so war es auch.
    Rechter Hand ging es in die Küche. Linker Hand führte eine sanft geschwungene Treppe nach oben und unten. Davor lag ein freier Raum, in dem eine mannshohe Palme die Garderobe säumte. An der Garderobe hing die erwähnte Lederjacke auf einem Bügel. Nadias Stimme zuckte ihr durchs Hirn mit dem Hinweis, die Alarmanlage sei immer in Betrieb. Kein Wort darüber, wie die Technik sich verhielt, wenn die Haustür von innen geöffnet wurde. Inzwischen mussten mindestens achtzehn Sekunden vergangen sein. Obwohl sie sich damit in unmittelbare Nähe des Blonden begeben musste, setzte sie sich in Bewegung und saugte den Blick an den grünen Palmwedeln fest.
    Er machte keine Anstalten, nach ihr zu greifen oder etwas Schlimmeres zu tun, runzelte nur verwundert die Stirn, als sie die Lederjacke behutsam zur Seite schob. Darunter befand sich das von Nadia beschriebene Kästchen auf der Wand. Nurkam sie nicht dazu, es sich genauer anzuschauen oder gar sicherheitshalber eine Zahlenkombination einzutippen, weil er sich von der Haustür abstieß und mit wenigen Schritten neben ihr war. «Hast du während der Fahrt ein Schweigegelübde abgelegt?», erkundigte er sich.
    Rasch legte sie Handtasche und Schlüsselbund auf der Truhe unter der Garderobe ab und huschte an ihm vorbei zurück in die Diele. Sollte er sich doch um das Kästchen kümmern, wenn das notwendig war. Mit einem weiteren Schritt war er erneut neben ihr. «Du musst nicht antworten, es reicht, wenn du nickst oder den Kopf schüttelst.»
    Mit schief gelegtem Kopf schaute er ihr ins Gesicht. Ignoriere ihn einfach, dachte sie und ging rasch auf den Wohnraum zu.
    «Mach nicht so ein Theater», verlangte er. «Ich brauche keinen Goldregen und dachte, wir hätten das Thema abgeschlossen.»
    Die Einrichtung des Zimmers, in das ihre Wohnung viermal hineingepasst hätte, war ihr bruchstückhaft von den Fotografien vertraut. Elegant-moderne Sitzgruppe mit niedrigem Tisch auf einem großen Teppich bei den offenen Terrassentüren. Hinter den Türen standen einige Sessel mit dicken Polsterauflagen im Schein der Nachmittagssonne.
    «Herrgott, Nadia», sagte er. «Nimm doch Vernunft an. Es geht uns gut, und ich will nur verhindern, dass sich daran etwas ändert.»
    Ihr Herzschlag fand allmählich zum gewohnten Rhythmus zurück. Was er von sich gab, schien nichts weiter zu sein als eheliche Konversation nach einem Streit. Mit dem Nadia aus seinem Mund flutete Erleichterung durch ihr Hirn und schärfte den Blick für Einzelheiten. An der Wand über der Sitzgruppe hing etwas, das vielleicht der Beckmann war. Es sah aus wie schwarz lackiertes Packpapier, in das ein KindLöcher gerissen hatte. Die Löcher waren mit Goldfarbe ausgesprüht. Ein dünner Metallrahmen, der wohl ein Vermögen gekostet hatte, fasste das Kunstwerk ein.
    Hinter sich hörte sie die zögernden Schritte Michael Trenklers und seine gedehnte Stimme, die um eine Entschuldigung rang, von der er offenbar nicht einsah, dass er sie Nadia schuldete. «Tut mir Leid, dass ich so heftig geworden bin. Wir reden in Ruhe, wenn ich mehr Zeit habe. Ich muss jetzt los. Du weißt, was von der neuen Reihe abhängt. Wenn ich Kemmerling alleine mit Olaf hantieren lasse, haben wir morgen alles Mögliche, aber keine brauchbaren Daten.»
    Ignoriere ihn einfach, dachte sie. Geh von einem Raum in den anderen. Leichter gedacht als getan. Er stand jetzt in der Dielentür. Links von ihm stand – ebenfalls auf einem Teppich – ein Flügel. Auf dem Notenständer lehnten einige Blätter. Weit rechts von ihm stand ein geschmackvoll restaurierter alter Bauernschrank. Hinter den Glasscheiben des Aufsatzes erkannte sie Gläser – und Flaschen! Ein winziges Schlückchen Doppelkorn zur Beruhigung! Ihr Vater hatte darauf geschworen. Vor der zweiten Bewerbung bei der Bank hatte es geholfen. Und nervöser als jetzt war sie damals bestimmt nicht gewesen.
    Sie ging zum Bauernschrank, öffnete eine Tür, nahm ein Glas heraus und betrachtete die Flaschen. Es handelte sich um diverse Nobelmarken an alkoholischen Getränken. Die einfache Flasche Doppelkorn, die ihr Vater für medizinische Schlückchen empfohlen hatte, suchte sie vergebens im Sortiment. Aber zur Not tat es auch ein Wodka. Als sie die Wodkaflasche nahm, hörte sie Michael Trenkler fragen: «Was soll das?»
    Es klang scharf, und sie bezog es auf ihr Schweigen, bis sie den erneuten Griff

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