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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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um ihr Handgelenk spürte. Sie konnte ihn nicht länger ignorieren. Sein Griff war äußerst schmerzhaftund der scharfe Ton unüberhörbar drohend. «Wenn das dein Ernst ist, packe ich am besten gleich meine Koffer.»
    Er nahm ihr die Flasche aus der Hand und quetschte ihr dabei das Gelenk, als wolle er es brechen. Die Flasche stellte er zurück, schloss den Schrank und zerrte sie hinter sich her in die Diele.
    «Du tust mir weh!» Ihr Handgelenk fühlte sich an wie in einen Schraubstock gespannt. Die Worte rutschten heraus, ehe sie es verhindern konnte. Sie war nur dankbar, dass ihr die vertraute Anrede so flüssig über die Lippen kam.
    Er zerrte sie weiter in die Küche, schob sie vor den Kühlschrank, riss ihn auf und wies auf eine Batterie von Saft-, Mineralwasser-, Limonaden- und Ketchupflaschen. «Wenn du etwas trinken willst, bitte, bedien dich!»
    Endlich ließ er sie los. Sie nahm die Flasche Cola light aus dem Kühlschrank. Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute ihr mit unbewegter Miene beim Eingießen zu. Als sie den ersten Schluck trank, fragte er: «Muss ich die Flaschen mitnehmen, oder bist du vernünftig?»
    Allmählich dämmerte es ihr. Nadia schien ein kleines Problem mit Spirituosen zu haben. Und ihrem Mann gefiel das nicht. Ihr hätte es auch nicht gefallen. Sie musste nur an Heller denken, um zu wissen, dass sie Betrunkene verabscheute.
    «Ich hatte nicht vor, mich zu betrinken», sagte sie leise, weil sie davon ausging, dass eine gedämpfte Stimme nicht so verräterisch war wie eine, die in normaler Lautstärke sprach. «Ich wollte nur einen kleinen Schluck, weil   …»
    Etwa zwanzig Sekunden rasselte sie etwas über den von ihm erwähnten Dukatenesel herunter, der sie versetzt und damit maßlos verärgert habe. So viel wollte sie auf keinen Fall sagen. Aber anscheinend war es genau das, was Michael Trenkler erwartete. Stutzig wurde er nicht. Als sie endlich wiederschwieg, stieß er nur verächtlich die Luft aus. Dann ließ er sie mit der Cola light vor dem offenen Kühlschrank stehen und ging zurück in die Diele.
    Sie hörte seine Schritte auf der Treppe und schaute sich um. Luxus, wohin das Auge fiel. Fernsehen sogar in der Küche. Über dem Kühlschrank war ein kleines Gerät an der Wand befestigt. Unpraktisch, fand sie, man müsste auf einen Stuhl steigen, um es einzuschalten. Aber vermutlich gab es eine Fernbedienung dazu.
    Nach ein paar Sekunden hörte sie wieder Schritte auf der Treppe. Michael Trenkler erschien in der Tür, eine leichte Jacke über dem Arm, betrachtete er sie mit einem feindseligen Blick. «Wenn du meinst, du musst saufen, tu dir keinen Zwang an. Ich sag dir nur eins: Nochmal mache ich das nicht mit.»
    «Keine Sorge», murmelte sie, atmete tief durch und schwenkte das Glas mit der Cola light. «Ich halte mich daran fest.»
    Er runzelte wieder irritiert die Stirn. Sekundenlang befürchtete sie, nun habe er sie als die Falsche erkannt. Dann begriff sie, dass sie nur zum zweiten Mal nach der falschen Flasche gegriffen hatte. Und das hätte nicht geschehen müssen! Literweise hatte Nadia Mineralwasser in ihre Wohnung geschleppt und einmal den Orangensaft. Sie hätte ihre Hand ins Feuer gelegt, dass Nadia niemals Cola trank.
    Michael Trenkler antwortete nicht mehr, drehte sich um und ging. Im ersten Moment war sie erleichtert. Im zweiten fragte sie sich, ob es richtig war, ihn so einfach gehen zu lassen. Am Ende hatte sie mit der Wodkaflasche heraufbeschworen, was Nadia unter allen Umständen vermeiden wollte. Koffer packen! Das klang nach Trennung. Die Haustür wurde geöffnet.
    Sie stellte das Glas ab und machte einen raschen Schritt auf die Diele zu. «Michael!», rief sie. «Es tut mir Leid.»
    Die Tür fiel zurück ins Schloss, er lehnte sich wieder mit dem Rücken dagegen, hielt einen Autoschlüssel in der Hand und schaute sie misstrauisch an. Sie sah neben dem Misstrauen auch Furcht in seinen Augen, konnte aber nicht einordnen, was sie sah. Er hat schöne Augen, dachte sie, fühlte sich hilflos und wusste nicht, was sie noch sagen könnte. Sie hätte sich ohrfeigen mögen, dass sie überhaupt zu sprechen begonnen hatte. Jeder weitere Satz vergrößerte das Risiko der Enttarnung. Leise und unsicher wiederholte sie: «Es tut mir wirklich Leid.»
    An seinem sonderbaren Blick und seiner angespannten Haltung änderte sich nichts. Sie überlegte krampfhaft, womit sie ihn am ehesten bewegen konnte, das Haus völlig

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