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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Nadia mit Joachim Kogler, Nadia mit Lilo Kogler, Nadia mit Wolfgang Blasting, Nadia mit Ilona Blasting, Nadiamit einem Dutzend fremder Gesichter. Zum ersten Mal registrierte sie bewusst, dass der Blonde auf diesen Fotos nicht auftauchte. Vielleicht hatte er jeweils auf den Auslöser gedrückt. Merkwürdig war es trotzdem.
    Obwohl Dieter und sie genau genommen nur ein Jahr wie ein Ehepaar gelebt hatten, gab es aus dieser Zeit etliche Dutzend Schnappschüsse und die wunderhübschen Aufnahmen, die am Tage ihrer Hochzeit vor der Kirche und im Atelier eines Kleinstadtkünstlers entstanden waren. Wo sie geblieben waren, wusste sie nicht. Sie hatte sie beim Auszug nicht mitnehmen mögen. Ihre Nachfolgerin Ramie hatte sie in der Zwischenzeit vermutlich weggeworfen. Aber sie hatte sie noch deutlich vor dem geistigen Auge. Den hoffnungsvollen jungen Reporter im schwarzen Anzug mit silberner Krawatte zum weißen Hemd und sie, wie sich das gehörte, ganz in Weiß mit dem üppigen Brautstrauß im Arm.
    Es gab unter Nadias Fotos eines, das auf der Rückseite mit «Trauung» beschriftet war. Nur hätte sie das ohne den Hinweis nicht als Hochzeitsfoto erkannt. Es war weder in einem Atelier noch vor einer Kirche entstanden. Ob das Gebäude, dessen Stufen Nadia hinuntereilte, ein Standesamt war, ließ sich auch nicht feststellen. Keine Blumen, kein weißes Kleid, von Kranz und Schleier ganz zu schweigen. Im eleganten Kostüm, die Handtasche unter den linken Arm geklemmt, sah es aus, als käme Nadia aus einer geschäftlichen Besprechung. Etliche Stufen hinter ihr und ziemlich unscharf war eine weitere Gestalt, dem Anschein nach in Jeans und Lederjacke. Vielleicht der Bräutigam, vielleicht aber auch nur irgendein Passant.
    Abends fuhr sie zwei Stunden lang über einen holprigen, aber völlig leeren Platz, auf dem nicht die Gefahr bestand, Bäume oder andere Verkehrsteilnehmer zu rammen. Fahren im Sinne der Straßenverkehrsordnung brachte Johannes ihrnicht dabei. Stattdessen unterwies er sie in diversen Tricks, die im normalen Verkehr so nützlich waren wie ein Eisschrank in Grönland.
    Zu Beginn zeigte sie sich für seinen Geschmack noch viel zu ängstlich. Nachdem er ihr wiederholt versichert hatte, sein BMW sei ganz anderes gewohnt, wurde sie wagemutiger. Und er lobte sie für ihre rasche Auffassungsgabe und ihr Reaktionsvermögen.
    Dienstags machte sie einen langen Spaziergang, um die Nervosität zu bekämpfen. Beim Heimkommen lauerte Heller ihr im Treppenhaus auf wie ein böses Omen. Beide Hände in den Hosentaschen, grinste er breit und erklärte: «Der Typ war neulich bei mir, dein Meinungsforscher.»
    «Freut mich», sagte sie und wollte an ihm vorbei.
    Er trat einen Schritt vor und verstellte ihr den Weg nach oben. Sein Grinsen wurde anzüglich. «Er wollte mir weismachen, dass er nur Studentinnen nagelt. Er wäre auch Student, sagte er, verdient sich mit seiner Fragerei das nächste Semester.»
    «Das interessiert mich nicht», erklärte sie.
    Heller grinste weiter. «Sollte es aber. Das war ein Schnüffler, kannst du mir unbesehen glauben. Guck mal, was ich gefunden habe, als er wieder weg war.» Er zog eine Hand aus der Hosentasche und hielt sie ihr hin, auf dem Handteller lag etwas wie eine kleine Batterie, diese winzigen runden, die man in Armbanduhren einlegte. Und Heller behauptete: «Das ist ’ne Wanze.»
    «Sie sollten sich ab und zu mal einen Tierfilm oder eine Show ansehen statt immer nur Horrorvideos», riet sie, quetschte sich an ihm vorbei und hastete hinauf in ihre Wohnung.
    Mittwochs drangsalierte sie Johannes Herzogs BMW noch einmal auf dem holprigen Gelände. Donnerstags ließ er sie imdichten Stadtverkehr üben. Am Freitagabend veranlasste er sie, auf der Autobahn Lkw-Fahrer durch gewagte Überholmanöver zu erschrecken. Samstags übte sie Nadias Gang, Nadias Lächeln, Nadias Ausdrucksweise, das spöttische Schürzen der Lippen, die sparsamen und trotzdem flinken Handbewegungen und das trotzige Zurückwerfen des Kopfes, bis ihr davon schwindlig wurde. Sie fand, sie beherrschte das recht gut. Nur den in ihren Ohren etwas dunkleren Klang der Stimme traf sie einfach nicht.
    In der Nacht zum Sonntag träumte sie von Michael Trenkler. Es war zu Anfang ein romantischer Traum von einem Ausflug in die Eifel. Aber ihre Spazierfahrt endete in der einsamen Fabrikruine, wo er mit einem Pistolengriff auf sie eindrosch und drohte: «Wenn du dich rührst, knall ich dich ab.» Das Schlimmste war noch, dass Heller sie fand,

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