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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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vorübergehend nicht erreichbar, aber man könne eine Nachricht hinterlassen.
    Was sollte das denn? Warum hatte Nadia ihr Handy ausgeschaltet? Und warum hatte sie noch nicht angerufen? Sie hatte doch versprochen, sich zu melden, sobald sie angekommen war? Seit über drei Stunden war sie schon unterwegs. Ein Unfall! Bei Nadias Fahrstil wäre das kein Wunder gewesen. Sie hatte garantiert kräftig Gas gegeben, um ihren Freund einzuholen.Vor ihrem geistigen Auge entstand ein fürchterliches Bild. Der silbergraue Mercedes als Blechknäuel irgendwo am Rand der Autobahn. Polizei, Feuerwehr, ein Notarzt bemühte sich um die im zerfetzten Wrack eingeklemmte Frau und konnte nur noch den Tod feststellen. Einer barg die Handtasche, nahm die Papiere heraus und sagte: «Sie heißt Susanne Lasko.»
    Ihr Rücken versteifte sich, die Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen, in der alten Wunde begann es zu pochen. Minutenlang setzte sie sich mit den Folgen ihrer Schreckensvision auseinander. Ein Streifenwagen fuhr zum Seniorenwohnheim. Ein Beamter in Uniform überbrachte ihrer Mutter die traurige Nachricht. Blinde Augen füllten sich mit Tränen.
    Endlich fiel ihr das einlaufende Wasser wieder ein. Sie hetzte ins Bad und verhinderte in letzter Sekunde eine Überschwemmung. Die Lust auf die runde Wanne war ihr ebenso vergangen wie der Appetit auf Schweineschnitzel mit Champignons, Spargel und grünen Bohnen. Mit allen möglichen und unmöglichen Erklärungen versuchte sie, sich zu beruhigen. Eine sehr lange Fahrt, bei der Nadia ihr Handy aus Sicherheitsgründen nicht in Betrieb hatte? Es war ja verboten, während der Fahrt zu telefonieren. Aber hatte der Mercedes nicht eine Freisprechanlage gehabt? Eine kürzere Fahrt und nach der Ankunft erst einmal traute Zweisamkeit genießen, wobei man nicht gestört werden wollte? Danach ein ausgiebiges Mittagessen, bei dem man aus Rücksicht auf andere Restaurantbesucher die Handys ausgeschaltet ließ? Wer dachte denn schon an die Vertretung daheim, wenn man endlich tun durfte, was einem bisher nicht vergönnt gewesen war?
    Wieder und wieder probierte sie im Abstand von zehn bis fünfzehn Minuten, Nadia zu erreichen. Um halb drei half alles nichts mehr. Und kein Polizist käme auf die Idee, NadiaTrenkler von Susanne Laskos Tod zu verständigen. Was nun? Im Seniorenwohnheim anrufen und sich bei Mutter erkundigen, ob sie Besuch von der Polizei bekommen habe? Dazu war es wohl noch zu früh, die Polizisten müssten ja erst mal in die Kettlerstraße, um herauszufinden, wen man von ihrem Tod verständigen musste.
     
    Gegen halb vier, nachdem sie es so oft erfolglos probiert hatte, dass sie die Versuche nicht mehr zählen mochte, rebellierte ihr Magen gegen die Ungewissheit. Sie ging in den Wohnraum und öffnete die oberen Türen des Bauernschrankes. Nur ein winziges Schlückchen zur Beruhigung! Unschlüssig betrachtete sie die Pegelstände und mixte sich tröpfchenweise aus acht Sorten etwas zusammen. Es waren zwei Schlückchen. Das erste brannte in der Kehle. Das zweite behielt sie sekundenlang im Mund, damit es seine Wirkung besser entfalten konnte. Minuten später bildete sie sich ein, der Alkohol sei ihr bereits zu Kopf gestiegen. Sie spürte einen Anfall von Schwindel und kümmerte sich endlich um ihr Mittagessen. Es lenkte ein wenig ab. Das Handy lag griffbereit neben dem Ausguss.
    Als das Wasser in den Töpfen zu summen begann, registrierte sie die Bewegung auf dem kleinen Monitor über dem Kühlschrank. Im nächsten Augenblick begann in der Diele ein großer Hund zu bellen. Es klang gefährlich und wurde von Knurrlauten unterbrochen, die ihr Schauer über den Rücken trieben. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie die Terrassentür im Esszimmer nicht wieder geschlossen hatte. Elenor Ravatzkys Terry musste durch diese Tür ins Haus gelangt sein. Glücklicherweise hatte sie die Küchentür hinter sich zugemacht.
    Statt auf den Monitor zu schauen, trat sie ans Fenster, um festzustellen, ob gegenüber bereits jemand Ausschau nach dem Hund hielt. Das war nicht der Fall. Aber vor der Haustürstand ein Mann, bemerkte sie und winkte mit einem üppigen Blumenstrauß. Sie erkannte Joachim Kogler, warf endlich einen Blick auf den Monitor. Er zeigte – wie nicht anders zu erwarten – breitflächig Joachim Koglers Gesicht. In der Diele bellte und knurrte es erneut. Sie öffnete die Küchentür einen Spalt. Von einem Hund war nichts zu sehen. Aber da Joachim Kogler sie gesehen hatte, nahm sie – Nadias

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