Die Lüge
in nächster Zeit …»
Ehe Nadia es aussprechen konnte, schüttelte sie heftig den Kopf.
«Nur für zwei Tage», lockte Nadia. «Für dich wäre es doch ein hübsches Zubrot. Ich nehme an, Reichtümer verdienst du nicht als Verkäuferin. Und du kannst doch einmal krank werden.»
Sie schaute an Nadia vorbei die Straße entlang. «Selbst wenn ich wollte, es geht nicht mehr. Ich bin schwanger.»
Nadia starrte betroffen auf ihren Leib, dem man noch nichts ansah, strich sich mit einer Hand über die Lippen und flüsterte: «Sag das nochmal.»
«Wozu? Du hast es doch verstanden.»
Nadia nickte schwer und erkundigte sich: «Von Michael?»
«Von Heller bestimmt nicht», sagte sie.
«Willst du es haben?», fragte Nadia.
«Ich kann es mir nicht leisten.» Obwohl sie verzweifelt dagegen ankämpfte, stiegen die Tränen auf. «Aber ich kann es auch nicht wegmachen lassen. Ich wollte immer ein Kind. Und in meinem Alter – das ist vielleicht meine letzte Chance, eins zu bekommen.»
Nadia ließ ihr einige Sekunden, die Fassung zurückzugewinnen. Dann fragte sie: «Und wenn ich dir helfe? Ich habe dich doch in diese Situation gebracht, da wäre es nur fair, wenn ich mich an den Folgen beteilige. Michael wirst du kaum auf Alimente verklagen wollen. Er rastet aus, wenn er hört, dass er einen Schreihals fabriziert hat. Und man müsste ihm ja auch erklären, wie es dazu gekommen ist. Dann können wir wahrscheinlich beide unser Testament machen.»
«Wie willst du mir denn helfen?»
«Zweitausend jeden Monat», sagte Nadia. «Und eine anständige Wohnung. Im Gegenzug stehst du zur Verfügung, wenn ich dich brauche. In den nächsten Monaten natürlich nicht, aber nach der Geburt, wenn du deine Figur zurückhast. Ist das ein Angebot?»
Es wäre ein Geschenk des Himmels gewesen, hätte Nadia es ernst gemeint. Aber Nadia zu trauen – sie betrachtete die Frau mit ihrem Gesicht zweifelnd, suchte nach Anzeichen für eine Garantie und sah nur das übliche Lächeln. «Ich weiß nicht», sagte sie.
«Denk darüber nach», riet Nadia. «Ich fahre jetzt erst mal ins Büro und rede mit Philipp, damit wir die Sache mit Zurkeulen klären.»
Frau Schädlich, Frau Gathmann und Frau Meul waren bereits im Geschäft. Doch keine hatte das Intermezzo auf der Straße bemerkt. Frau Schädlich war völlig arglos, als sie kurz nach neun aus dem Büro rief: «Kommen Sie schnell, FrauLasko. Da ist eine Altenpflegerin am Apparat. Ihre Mutter hatte einen Unfall.»
Der Telefonhörer lag auf dem Schreibtisch. Ihre Hand zitterte, als sie ihn nahm. Sogar sie war im ersten Moment überzeugt, ihrer Mutter sei etwas zugestoßen. Doch dann sagte Nadia: «Deine Mutter ist auf der Treppe gestürzt – glaubt deine Chefin, also lass dir nichts anmerken. Was ich dir eben angeboten habe, geht klar. Über die Einzelheiten reden wir, wenn mehr Zeit ist. Mit Zurkeulen hat Philipp schon gesprochen, ich übrigens auch. Ich habe ihm erklärt, dass er gar nicht dir begegnet ist und warum ich mit deinem Ausweis unterwegs war.»
Aus dem Hörer drang ein leises Lachen. «Er hat selbst immer kleine Affären. Ich glaube, es hat ihn amüsiert. Er hatte jedenfalls Verständnis. Und was seinen Verlust angeht, den hole ich binnen zwei oder drei Monaten wieder herein, wenn er mir sein Depot anvertraut. Er war sehr interessiert, bestand allerdings darauf, dass ich persönlich bei ihm erscheine. Er ist zurzeit in Genf, da habe ich ohnehin heute einen Termin. Insofern trifft sich das gut. Da gibt es nur ein kleines Problem, bis heute Abend schaffe ich nicht beides.»
Frau Schädlich stand in der Tür und horchte gespannt.
«Ich kann aber jetzt hier nicht weg», sagte sie.
Und hinter ihr sagte Frau Schädlich: «Natürlich können Sie, Frau Lasko. Das ist doch eine Ausnahmesituation. Wollen Sie sich ein Taxi rufen?»
«Na bitte», meinte Nadia, die mitgehört hatte. «Sag ihr, du nimmst den Bus. Ein Taxi für dich ist schon unterwegs. Es wartet da, wo ich eben stand.»
Der Taxifahrer, zu dem Susanne Lasko an diesem Donnerstag, es war der achtundzwanzigste November, in den Wagen stieg, hatte genaue Anweisungen, wo er sie absetzen sollte,nahe dem Terminal der Swissair. Nadia erwartete sie – bereits ohne Ringe, Ohrstecker und Armbanduhr, mit nichts weiter als ihrer Handtasche, einer Bordtasche und einem Schwall von Instruktionen. Der Alfa stand in der Kurzparkzone. Sie sollte zuerst zum Friseur fahren, nachschneiden und färben lassen. Um den Rest könne sie sich
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